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Fall Assange: Wenn UN-Urteile nicht ins westliche Bild passen

Nachdem die UN-Arbeitsgruppe über willkürliche Inhaftierung Julian Assanges Fall nun über ein Jahr lang untersuchte und dabei natürlich auch die schwedischen und britischen Behörden einbezogen hat, passt das Ergebnis den Verantwortlichen (nicht nur) in diesen beiden Ländern offenbar gar nicht. Der britische Außenminister Philip Hammond verwarf das Urteil der Arbeitsgruppe, die zu dem Schluss kam, dass Assange aufgrund der Handlungsweisen Großbritanniens und Schwedens sich in einem Zustand willkürlicher und somit unrechtmäßiger Haft befindet, kurzerhand als “lächerlich” und ließ durchblicken, dass daraus keine Konsequenzen folgen werden. Somit wird also jener Instanz, die noch im Falle der burmesischen Oppositionspolitikerin Suu Kyi als hochkarätiger Bezugspunkt [1] galt, einfach die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Internationales Recht darf eben nicht zuungunsten westlicher Machtinteressen ausgelegt werden, wo käme man da hin?

Auch auf tagesschau.de bemühte man sich, dem Urteil und seinem Zustandekommen die rechtliche und moralische Legitimation abzusprechen. Strafrechtsprofessor Martin Heger verkündete [2], dass Großbritannien gar nicht anders könne, als Assange an Schweden zu überstellen und es überdies kein anderes Eigeninteresse hätte, ihn zu verhaften. (Dafür gibt UK 11 Mio. Pfund [3] für eine 24-Stunden-Überwachung aus?) Weiterhin wischte er politische Motivationen, die hinter der Auslieferung stehen, schlicht weg, indem er die Möglichkeit, dass Assange von Schweden aus an die USA ausgeliefert werden könnte, als “Legende” bezeichnete. ARD-Korrespondentin Hanni Hüsch wiederum delegitimierte [2] das Zustandekommen des Urteils als eine “PR”-Aktion von Assange, die ohnehin keine Konsequenzen habe. Und Jens-Peter Marquardt vom NDR kommentierte, dass Assange “offenbar unter Verfolgungswahn leidet” [4], wenn dieser davon ausginge, dass die Vorwürfe gegen ihn eine “Erfindung” seien, “um ihn am Ende in die USA auszuliefern”. So geht’s, wenn es einmal nicht so gut läuft für das Bild vom rechtstreuen und guten Westen: übertreiben, pathologisieren, delegitimieren.

Ein empfehlenswertes Gegenbild liefert der australische Journalist und Dokumentarfilmer John Pilger, indem er u.a. konkret und im Kontext auf die politischen Interessen hinter der Inhaftierung Assanges eingeht, sowie dessen sehr reale Bedrohung durch die Gemeinschaft der Whistleblower-Jäger:

“Freeing Julian Assange: the last chapter” [5] (johnpilger.com, 5.2.2016)

Democracy Now! berichtet ebenso über die Entwicklungen und interviewte dabei den vormaligen Chef der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung, Mads Andenæs, der darauf eingeht, welche Möglichkeiten Schweden hätte nutzen können, um auch ohne Auslieferung den Vorwurf gegen Assange zu festigen:

“To the contrary, it’s absolutely clear that Assange and his team has offered to answer—that he should offer—he had offered to answer questions by Swedish police in the U.K. That’s beyond dispute. And that offer has not been taken up. And as you mentioned, Swedish courts have been very critical of the prosecutor, of the Swedish prosecutor, for this.”

(Mads Andenæs im Interview mit Democracy Now!, 5.2.2016)

Siehe:

“>>A Significant Victory<<: Julian Assange Hails U.N. Panel Calling for His Freedom” [6]

Wer sich noch einmal rückblickend mit den Hintergründen zur politischen Bedeutung von Assange und den Aktivitäten von WikiLeaks auseinandersetzen möchte, sei auf eine arte Dokumentation (26 min., deutsche Sprache) von 2010 verwiesen:

“WikiLeaks: Krieg dem Staatsgeheimnis” [7] (arte, 8.3.2013)