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Ein Aufruf zur ökonomischen Säkularisierung – so selbstverständlich wie hegemoniegefährdend

Es ist bekannt (zumindest einigen): Nirgendwo lässt sich zwischen Relevanz, Wissen und öffentlichem Bewusstsein ein so eklatantes Missverhältnis feststellen, wie in ökonomischen Angelegenheiten. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge findet man langweilig, man weiß gar nicht, dass es sie gibt oder man papageiisiert einfach das, was INSM-Vertreter, Boulevardökonomen oder die neoliberale Glaubenskongregation einem an empirischem Unsinn über viele Jahre in den Schädel gehämmert haben.

Die hermetische Erkenntnisabschirmung klappt hierzulande ja besonders gut, da das deutsche Modell mit seiner Teilprekarisierung nach innen bei gleichzeitigem Nachfrageraubzug nach außen quasi das Auge des europäischen Taifuns darstellt. Dabei ist es eigentlich kein Geheimnis: die Ökonomie ist der Schlüssel, besonders in einer Welt, in der immer mehr gesellschaftliche Bereiche ökonomischen Prinzipien unterworfen wurden.

In anderen Ländern fomiert sich glücklicherweise rascher ein Bewusstsein hierfür, als dies hierzulande der Fall zu sein scheint. Über einen klugen und sehr konsequenten Aufruf von 80 französischen Ökonominnen und Ökonomen in Le Monde, die auch den Ausbruch aus dem neoliberalen Vertragskorsett nicht scheuen, berichtet flassbeck-economics:

“Raus aus der wirtschaftlichen Sackgasse – Aufruf von 80 französischen Ökonomen” (flassbeck-economics zum Aufruf vom 10.2. in Le Monde)

Zitat aus der Übersetzung:

“[…] Es ist höchste Zeit eine Politik aufzugeben, die nur zum endlosen Gefangensein in der Krise führt. Um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen und den Menschen wieder eine Perspektive zu geben, schlagen wir allen Bürgern und Bürgerinnen sowie den sozialen, gewerkschaftlichen und politischen Bewegungen eine Diskussion über einen Plan zur Überwindung der Krise vor, der aus drei Elementen besteht:
Ein neuer Wachstums- Umwelt- und Sozialpakt
An Bedarf dafür mangelt es nicht: Investitionen zur Reduktion der Treibhausgase (Wärmedämmung für Gebäude, öffentlicher Verkehr, erneuerbare Energien …), Wohnungsbau, Stadtplanung, die mit den Ghettos der Banlieus Schluss macht und soziale Durchmischung und Chancengleichheit wiederherstellt, ein neuer Sozialpakt zur Förderung von Bildung, Gesundheit, Kultur, innerer Sicherheit und Justiz sowie Hilfe für Pflegebedürftige und Kleinkinder. Das schafft Hunderttausende von Arbeitsplätzen, die nicht ins Ausland verlagert werden können. Damit wird es möglich, in Richtung eines neuen Typs von Vollbeschäftigung zu gehen, mit qualifizierten Arbeitsplätzen ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Herkunft. […]
Im Falle der Ablehnung muss Frankreich jenen Ländern, die bereit dazu sind (Portugal, Griechenland, aber auch andere darunter Italien und Spanien; diese vier stehen zusammen mit Frankreich für mehr als 50% des BIP der Eurozone), einen Pakt zur Wiederbelebung der Wirtschaft anbieten, der den ökonomischen und sozialen Notwendigkeiten Vorrang vor den neoliberalen Regeln gibt.”

Für Nachzügler*innen:

“Heiner Flassbeck: Warum die Rettung Europas nicht gelingen kann” (November 2015)

Unser Artikel speziell zur Hebelwirkung der Austeritätspolitik:

“Draghi, Schäuble, Varoufakis und der Kanarienvogel in der Kohlegrube” (Februar 2015)

Folien zu Lohnkonkurrenz, Krise, Austerität und vertraglichem Zwangskorsett:

“Die >>silent revolution<< in Zeiten der Eurokrise” (Juli 2015)

Jascha Jaworski

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