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No 275

“Man muss in dieser neuen Welt nicht mehr darüber philosophieren, ob und wie schnell der Staat >>die guten Zeiten<< nutzen sollte, um seine Verschuldung in Grenzen zu halten. Es gibt die guten Zeiten einfach nicht mehr, weil die Unternehmen so stark und so mächtig sind, dass man sie einfach nicht mehr in die Rolle des Schuldners drängen kann. Die Stärke der Unternehmen ist die unmittelbare Folge der neoliberalen Revolution, was nichts Anderes bedeutet, als dass die Neoliberalen mit ihrem Kurs hin zur >>Angebotspolitik<< unmittelbar verantwortlich dafür sind, dass die staatlichen Schulden ins unermessliche steigen. Gratulation!
Richard Koo, einer der wenigen Ökonomen, die diese Frage immer wieder betonen und den Staat an seine Rolle als Schuldner erinnern, glaubt, dass die veränderte Rolle der Unternehmen mit Bilanzrezessionen zu tun hat. Seine These ist, dass die Betriebe nach einer Rezession erst einmal versuchen, in die Gewinnzone zu geraten, um ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen. Das war vielleicht unmittelbar nach der globalen Krise eine angemessene Erklärung, heute ist sie das meiner Meinung nach nicht mehr. Was wir sehen, hat vielmehr mit der säkularen Machtverschiebung zugunsten der Unternehmen am Arbeitsmarkt und gegenüber dem Staat zu tun, die von vielen Regierungen seit den siebziger Jahren direkt gefördert und befördert wurde.
Stimmt letzteres, ist das marktwirtschaftlich-kapitalistische System weltweit auf dem direkten Weg in den Kollaps. Verbindet man die Macht der Unternehmen, ihre Seite der Spar-Medaille auszuwählen, mit der Forderung an den Staat, seine Verschuldung zurückzufahren, wählt man – bei gegebener positiver Sparneigung der privaten Haushalte – eine Konstellation, die aus logischen Gründen unmöglich ist. Systeme, die sich solchen Unmöglichkeitsszenarien gegenüber sehen, tendieren dazu, in kurzer Zeit zu kollabieren. Dabei ist es nicht von Belang, ob es tumbe Politiker sind, die das Unmögliche versuchen, oder ob interessierte Kreise versuchen, es mit Macht durchsetzen. Der Untergang ist unabwendbar.”

(Heiner Flassbeck, ehem. Chefvolkswirt der UNCTAD und Mitherausgeber von Makroskop – Warum erschießt man tote Schweine?, Makroskop, 16.9.2016)

Jascha Jaworski

Ein Kommentar

  1. Dies traurig treffende Textzitat wirbt
    -vermutlich absichtslos, doch-
    wirkungsvoll für Makroskop!
    Wer will schon ohne Lektüre bester Qualität hinuntergehen?

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