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Kraftvoll gegen die Sparorgane (Massenproteste und Gerichtsvollzieher)

Gegen das geplante Sparpaket und die Krisenpolitik der spanischen Regierung im Umfang von 65 Mrd. Euro sind huntertausende Spanier_innen (beispielsweise in Madrid und Alicante) am 19. Juli friedlich auf die Straße gegangen.


Darunter waren u.a. viele Feuerwehrmänner (Bamberos), die die Straßen mit Löschschaum bedeckten, um sozusagen zum Löschen des von Zündlern wie Troika und Merkel befeuerten sozialen Flächenbrandes aufzufordern. Vereinzelt waren auch demonstrierende Polizisten mit dem Slogan “Wir sind die Polizei des Volkes und nicht die Polizei der Politiker” unterwegs, dies ist als Reaktion eines Teils der Polizei auf die brutalen Aktionen der spanischen Polizei während des Solidaritätsmarsches der von Arbeitslosigkeit bedrohten Minenarbeiter zu verstehen. Die spanische Polizei hatte mit ihren Gewehren (Gummigeschosse) nicht nur in heranstürmenden Gruppen bedrohlich in die Luft gefeuert, sondern in unverantwortlicher Weise auch auf Menschen geschossen, von denen 76[1] verletzt wurden. Gummigeschosse sind hoch gefährlich, fliegen sie gegen Kopf oder Rücken kann das Leben akut gefährdet sein. In Nordirland kamen seit den 70ern 17 Menschen durch Gummigeschosse ums Leben (Quelle: GdP).

Die vom Elend bedrohten spanischen Bürger_innen brauchen unsere Solidarität und jeder Euro, den sich ein von Lohnsenkungen betroffener Arbeitnehmer in Deutschland erkämpft, hilft dem Arbeitnehmer in Spanien (dazu später mehr).

In dem Zusammenhang aus Deutschland:

In Leipzig hat ein Familienvater erfolgreich das unverbesserliche Jobcenter mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers “sanktioniert”, das Jobcenter hatte das Urteil des Sozialgerichts, das das Amt zur Rücknahme/Rückzahlung der Kürzung von ALG2-Geldern des Mannes verpflichtete, ignoriert. Es blieb ihm schließlich nichts anderes übrig als die Barkasse des Amtes pfänden zu lassen.[2]

Auch, wenn dieser Fall am Ende doch sehr zum Schmunzeln einlädt, bleiben wir doch mit Empörung über dieses Hartz4-System zurück. Hartz4 begünstigt nicht nur durch die mehrfach von vielen Organisationen bestätigten zu niedrigen Regelsätze (insbesondere für Kinder) ärmliche Verhältnisse, zusätzlich werden die Jobcenter systematisch dazu angehalten übermäßigen organisierten Druck auszuüben. Dabei wird die Sanktionspraxis nicht nach dem Motto “im Zweifel für den Angeklagten” angegangen, sondern nach “im Zweifel: Sanktion!” und von der einmal getroffenen Entscheidung wird nur selten abgerückt. Falls der oder die Betroffene das Know-How und den Mut dafür hat, kann er/sie der Sanktion widersprechen (gigantische Erfolgsquote von 42%). In einer öffentlichen Anhörung des Bundestages bezeichnete der Soziologe Prof. Dr. Stephan Lessenich die Sanktionen als Maßnahmen im Stile eines “paternalistischen Erziehungsstaates”, außerdem errichte die Politik ein “Abschreckungregime” für den Leistungsbezug[3]. Diese Aussage passt zum Verbot des Bundesverfassungsgerichts zur reduzierten Auszahlungspraxis für Asylsuchende und müsste unterstützt durch die Urteilsbegründung eigentlich als generelles Kürzungsverbot verstanden werden. Wenn dann selbst noch Richtersprüche von Sozialgerichten, die übrigens 2011 54% (2010: 60%)[4] der Sanktionsentscheidungen haben kippen müssen, nicht beachtet werden, wird auch noch der Rechtsstaat beerdigt.

Noch einmal: jede Sanktion erhöht den Druck auf (fast) alle Arbeitnehmer_innen und führt zu Lohnsenkungen. Die miese Entwicklung der Löhne im letzten Jahrzehnt hat die Preise deutscher Exportgüter deutlich langsamer steigen lassen als für die Eurozone verbindlich vereinbart (2%, siehe Poster Eurokrise). Da dies bewusst zur sog. Verbesserungs der Wettbewerbsfähigkeit bewirkt wurde, könnte hier von einem betrugsähnlichen Vorgehen der letzten Bundesregierungen gesprochen werden. Laut Daten der Bundesbank “trägt” Deutschland einen Anteil von 30% am gesamten Außenhandelsdefizit Spaniens von 2000-2011 (Warenhandel ebenso wie Leistungsbilanz insgesamt). Somit waren die Bundesregierungen für einen großen Teil der Schulden Spaniens mitverantwortlich. Wenn durch Lohnsenkung in Deutschland letztlich in Spanien Sparpakete durchgedrückt werden können, dann wird klar, dass der Großteil der Arbeitnehmer_innen aller Länder in einem Boot sitzen.

Johannes Stremme

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