Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken
0

Flashmob im spanischen Arbeitsamt

Vorbemerkung:

Die spanische Bevölkerung gehört zu jenen in Europa, die unter der Finanz- und der sich anschließenden Eurokrise in ganz besonderer Weise zu leiden hat. Nicht nur, dass seit 2007 mehr als 400 000 Räumungsverfahren eingeleitet wurden, weil Familien aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen können. Die mit dem Wirtschaftseinbruch der Finanzkrise seit 2007 rasch angestiegene Staatsverschuldung im Verbund mit der Niederkonkurrierung, die Deutschland gegenüber Spanien durch Lohndumping erzielt hat, führte schließlich dazu, dass die Finanzmärkte das Land erledigen konnten (Zinsexplosion auf Staatsanleihen). Als die EZB schließlich einschritt, hatten die Neoliberalen im In- wie im Ausland ihr Ziel erreicht: Die Mehrheit der spanischen Bevölkerung muss seitdem wirtschaftliche Transformationsprogramme über sich ergehen lassen, die die Gesellschaft allmählich zerstören. Nach drastischen Kürzungen bei Gesundheit und Bildung, die der eigentliche Wohlstand einer Gesellschaft sind, werden weitere Sozialleistungen gekürzt, die Massensteuern erhöht, sowie das öffentliche Eigentum an reiche Privatiers überführt. Die Kürzungsprogramme rauben den Menschen ihre Zukunft und erzeugen Angst und Verzweiflung. Auch über den Arbeitsmarkt und somit eine der wichtigsten Institutionen gesellschaftlicher Teilhabe werden die Menschen zunehmend entrechtet. Die Deregulierung führt hier nicht nur zu immer unsichereren Beschäftigungsverhältnissen, sondern bedingt einen drastischen Lohnverfall. Innerhalb von vier Jahren ist die Lohnsumme (Arbeitnehmerentgelt) in Spanien um rund 16% gefallen. Das Schlimmste ist wohl aber der Anstieg der Arbeitslosenquote von 8.3% (2007) auf über 25% (2012). Sogar mehr als die Hälfte aller jungen Menschen findet keine Arbeit, obwohl sich hierunter viele Menschen mit Hochschulabschluss befinden. Die Wirtschaft ist im freien Fall während die Staatsschuldenquote weiter steigt, es ist also kein Ende in Sicht. Wie denn auch? Spanien ist neben Griechenland zu einem weiteren neoliberalen Experimentierfeld geworden, an dem fixe Ideen des Wettbewerbs der Nationen (als notwendiges „race to the bottom“), modellplatonische Vorstellungen eines „Arbeitsmarktes als Kartoffelmarkt“ und eine falsch verstandene Logik staatlichen „Sparens“ exekutiert werden. Gegen den begrüßenswerten Widerstand der Bevölkerung wird rigoros und repressiv vorgegangen und wohl nicht umsonst befürchten die Machthabenden in Madrid Separatismus und berücksichtigen dies bereits in ihren zukünftigen militärischen Möglichkeiten.

In Anbetracht dieser düsteren Verhältnisse dokumentiert folgendes Video zu einem Flashmob in einem spanischen Arbeitsamt doch einen jener Momente, die wie ein Lichtstrahl aus einer anderen Welt hindurchschimmern, einer Welt, in der die Menschlichkeit regiert und nicht neoliberale Wahnideen:

Flashmob oficina paro

 

Jascha Jaworski

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.