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GroKo verwaltet mit Wettbewerbsreligion Europa in den Niedergang

Die NachDenkSeiten zitieren Passagen aus dem Koalitionsvertrag zum ökonomischen Fahrplan des CDU/CSU/SPD-Bündnisse und machen dabei deutlich, dass es sich bei den Urhebern des Vertrags um die Verwalter des europäischen Niedergangs handelt. Die Großkoalitionäre verweigern sich einfach der beobachtbaren Welt, indem sie blind auf den verelenden “Strukturreformen” herumreiten und weiterhin im primitiven und völlig fehlplatzierten Angebotsdenken verhaftet bleiben. Ich bestätige die Einschätzung, dass die Eurozone als Ganzes tatsächlich eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit hat. Ökonomisch betrachtet besteht diese hauptsächlich darin, dass einige Länder (v.a. Deutschland) ihre Löhne völlig unzureichend gesteigert haben. Die Hauptkrise der Wettbewerbsfähigkeit ist m.E.n. jedoch psychologischer Natur, indem sie nämlich in den Köpfen der EntscheiderInnen (und jener, die sie weiterhin EntscheiderInnen sein lassen) begründet ist. Es handelt sich daher um eine ideologische Krise.

Der Wettbewerbsgedanke ist zum heiligen Prinzip, zu einer neuen Religion geworden, wohl auch, weil er edel und tugendhaft wirkt. Das Grundmuster scheint mir religiöser Art zu sein: Das Tal des Leidens (“Strukturreformen”) muss zunächst durchschritten werden, bevor es dann zur Erlösung (“saftiges Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze”) kommt. Die schöne Erzählung trägt dabei eine ganz säkulare Oberflächenstruktur: Da ist von deutschen Autos und Maschinen, südländischer Arbeitsmoral, mangelnder Beschäftigtenqualifikation, dem altbekannten “über-die-Verhältnisse-leben”, der Konkurrenz zu China oder dem zu hohen Preis auf dem Arbeits”markt” die Rede. Mir scheint, ein zentraler Punkt dieser Falscherzählung besteht darin, dass in vielen Köpfen Wettbewerbsfähigkeit mit Produktivität verwechselt wird, was fatal ist. Während Wettbewerbsfähigkeit immer bezogen auf die anderen, also ein relativer Begriff ist (so dass einer seine Wettbewerbsfähigkeit nur dadurch verbessern kann, dass andere sie somit verschlechtern), ist Produktivität ein absoluter Begriff, bei dem es darum geht, mit wie viel Mitteleinsatz (Arbeit, Kapital), man wie viel Output (Waren und Dienstleistungen) erzeugen kann (konkret: gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität = reales BIP / Arbeitsvolumen). Wenn Länder nun ihre Produktivität verbessern, ist das ein Wohlstand, der sich beliebig nutzen lässt. Wenn man jedoch den Produktivitätszuwachs nutzt, um diejenigen, die ihn erbringen an selbigem über Lohn und diesem Lohn nachgeschaltete Leistungen (Rente, Krankenkassenleistungen etc.) nicht zu beteiligen, sondern seine Preisentwicklung zurückzuhalten, kann man dadurch zwar seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern und Riesengewinne für Unternehmen einfahren, dies jedoch nur, indem man anderen Ländern die Nachfrage über den Außenhandel klaut, da man sie im eigenen Land nicht mehr erzeugen kann, wenn man die Hauptnachfragebasis im Inland (lohnabhängig Beschäftigte und RentnerInnen) nicht mit mehr Geld in den Taschen ausstattet. Dann kann man sich selbst zwar als Exportweltmeister auf die Schultern klopfen, während man die Produktivkräfte in bloße Auslandsforderungen umwandelt, anstatt Renten-, Kranken- und Pflegekassen mit angemessenen Mitteln auszustatten, inländische Infrastruktur zu erneuern oder die Menschen an dem teilhaben zu lassen, was sie schließlich als abhängig Beschäftigte selbst produziert haben, darf sich jedoch auch gewiss sein, dass die Währungsaufwertung einem früher oder später einen Strich durch die (fast) allseitige Kürzungsrechnung macht. Dann wird auch durch Massenarbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit ein rassistisch-nationalistisch geprägtes Europa das hübsche Binnenmarktprojekt kaputt machen. Und dabei wird das angestrebte Europa als “wettbewerbsfähigster, dynamischster Wirtschaftsraum der Welt” eben zum absurdesten Wirtschaftsraum der Welt wird. Hier befördert die von vielen als Produktivität falsch verstandene Wettbewerbsfähigkeit die tatsächliche Produktivität schließlich ins Jenseits. Dafür aber hat die neoliberale Endzeitregierung aus CDU/CSU und SPD einfach kein Einsehen. Die Menschen in Europa haben somit das Nachsehen.

Jascha Jaworski

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