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Le Monde und der European Council – ein seltsames Paar

Manchmal fragt man sich doch, welch seltsame Bündnisse so zusammenfinden. Dass die SPD im Bündnis mit dem Kapital den größten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik betrieben hat und in der Folge über deutsches Lohndumping entscheidend an der Herbeiführung der Eurokrise beteiligt war, daran hat man sich fast gewöhnt. Dass sie zusammen mit den Grünen unter Figuren wie Joschka Fischer dieses Land in einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt haben, wie Gerhard Schröder selbst zugab, das musste man entsetzt zur Kenntnis nehmen. Dass eine grüne Partei mit einer Katrin Göring-Eckardt und einem Cem Özdemir scheinbar begeisterte Transatlantiker in ihren Führungsetagen hat, das kann kaum noch verwundern, wer die Positionierungen der Partei verfolgt.

Die ungewöhnlichen ideologischen Paarungen wollen jedoch offenbar kein Ende finden. So geben aktuell die deutsche Ausgabe von Le Monde diplomatique, sowie die Heinrich-Böll-Stiftung ihren Namen dafür her, sich an der Herausgabe eines tendenziösen “Europa-Atlas” zu beteiligen, der mitherausgegeben wird von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik – einem ThinkTank, der prominente Personen aus CDU, FDP, Rüstungsindustrie, Finanzbranche etc. in seinen Reihen hat – sowie dem European Coucil On Foreign Relations (ECFR), einer Vereinigung, die für eine verstärkte Führungsrolle der EU auch mit militärischen Mitteln in der Welt eintritt. Das verwundert dann doch. Wer sich einen Eindruck über die Motive verschaffen möchte, die mit Informationen aus derartiger Richtung verbunden sein dürften, sei etwa auf das Papier “Why Europe Needs A New Global Strategy” vom besagten European Council verwiesen. Im Großen und Ganzen geht es dort darum, dass die Strategie der EU, Einfluss auf andere Länder durch die ferne Aussicht auf Zugehörigkeit zur “Wertegemeinschaft” oder durch ökonomische Anreize zu entfalten, in Zeiten von Krise und “global awakening” eher ineffektiv geworden ist1:

“In this new context, the very idea of European soft power – the assumption that people want to become like us – is problematic.”

(Why Europe Needs A New Global Strategy, ECFR Policy Brief, Okt. 2013)

In dem Papier, das von ECFR Angehörigen verfasst wurde, wird auch die Rolle der UN beklagt, die einfach nicht im Sinne von USA und EU funktionieren wollen und deshalb zukünftig zu umgehen sind:

“Nonetheless, Europeans may increasingly have to go “forum shopping” to find alternatives to the UN when it is gridlocked over crises.”

Wobei hier beklagt wird, dass Deutschland sich noch zu sehr ziere:

“But this à la carte multilateralism risks splitting the EU: France and the UK are typically more willing to manoeuvre around international legal obstalces than Germany.”

Die UN verkommen also in der Perspektive einer derartigen Organisation zum bloßen “rechtlichen Hindernis”. Folgerichtig wird dann auch beklagt, dass nicht genügend Engagement bei der Aufrüstung der EU an den Tag gelegt wird. Dabei gilt doch seit dem Lissabon-Vertrag ein EU-weites Aufrüstungsgebot (das übrigens damals von der befragten Bevölkerungsmehrheit hierzulande abgelehnt wurde).

Das Papier des ECFR “ermuntert” sodenn auch, mehr in die NATO “hineinzustecken”, da die USA nur noch in dem Maße bei der “Konfrontation von Problemen” beitragen werden, wie sie ihre eigenen Anliegen vertreten sehen:

“But US readiness to join Europeans in confronting problems which Washington will increasingly see as primarily European rather than American concerns will depend upon whether it detects any greater willingness on Europe’s part to put more into NATO […]”

Und so kommen wir zurück zum “Europa-Atlas” herausgegeben vom besagten ECFR, von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, von der Heinrich-Böll-Stiftung und der deutschen Ausgabe Le Monde diplomatique, der gleich auf seinen ersten Seiten – wohl ganz zur Freude der NATO – die Aussage enthält:

“[…] hat die EU bewiesen, dass sie Erfolge bewirken kann, wenn sie mit einer Stimme spricht. In der Ukraine und gegenüber einem zunehmend aggressiv auftretenden Präsidenten Putin muss sie dies erst noch unter Beweis stellen.”

(Europa-Atlas – Daten und Fakten über den Kontinent, 2014)

Und ein paar Seiten weiter heißt es mit Verweis auf die Krim:

“2014 annektiert Russland die völkerrechtlich zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim nach einem irregulären und unter militärischem Druck durchgeführten Referendum.”

Diese Aussagen dürften in der NATO-Führung auf Applaus stoßen, doch korrekt werden sie dadurch dennoch nicht, wie der Völkerrechtler Reinhard Merkel vor einiger Zeit in der FAZ sehr schön darlegte. Auch was die Aggressivität eines Putin betrifft, mag o.g. Bemerkung zwar aus transatlantischer Perspektive heraus ausgewogen wirken, dies jedoch dürften jene politisch interessierten Leser*innen, die nicht amnestisch sind, etwas einseitig finden, da wieder einmal von der aggressiven Expansion der NATO mit ihren gebrochenen Versprechen gegenüber Russland kein Wort erwähnt wird. Und auch in Sachen Völkerrechtsbruch wären die Herausgeber gut beraten gewesen, zunächst vor der Tür der von ihnen hochgehaltenen “westlichen Wertegemeinschaft” zu kehren, um so zu mehr Glaubwürdigkeit und Ausgleich in den Darstellungen zu gelangen. Aber derartiges Verhalten scheint in diesen Zeiten nicht mehr in Mode zu sein. Offenbar auch nicht bei solchen Institutionen, die, wie die Heinrich-Böll-Stiftung oder Le Monde diplomatique wohl bislang noch Assoziationen des Progressiven und Friedensmotivierten in vielen Menschen auslösen mögen. Schade!

  1. Hier ist die Rede davon, dass Bevölkerungsaufstände wie in Bulgarien oder der Türkei nicht unbedingt in die “liberale Demokratie” führen. Diesen Begriff darf man erfahrungsgemäß mit “System mit freier Investitionsmöglichkeit” übersetzen []

Jascha Jaworski

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