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Der Krieg in Gaza – Die Doktrin der Unverhältnismäßigkeit und die öffentliche Verantwortung

Nachdem die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas eingesetzt hat und Israel den Abzug seiner Truppen aus dem Gazastreifen veranlasste, wird die Unverhältnismäßigkeit des israelischen Vorgehens mit dem angerichteten Ausmaß an Tod und Zerstörung nun zunehmend Teil einer öffentlichen Auseinandersetzung. Die Opferzahlen auf palästinensischer Seite im jüngsten Krieg liegen gemäß UN-Nothilfekoordinator (Stand bis zum 6. August) bei 1843 Menschen. Von diesen waren 1354 Menschen Zivilisten, darunter 415 getöte Kinder und 214 getötete Frauen. Auf israelischer Seite starben 64 Soldaten und drei Zivilisten. Ein Anteil von über 70% an zivilen Opfern, sowie das Bombardement selbst von UN-Notunterkünften und Krankenhäusern macht deutlich, wie Israel offen gegen humanitäres Völkerrecht verstößt und tatsächlich ein Massensterben Unschuldiger bei seinem Vorgehen mindestens billigend in Kauf nimmt. Bei einem israelischen Luftangriff auf eine UN-Notunterkunft, der sich vor Beginn der Waffenruhe ereignete und zehn weitere Zivilisten das Leben kostete, wählte selbst die US-Regierung die Begriffe “skandalös” und “entsetzlich”.

Beim jüngsten Gazakrieg handelt es sich um den bisher zerstörerischsten. Und auch was den Anteil der zivilen Opfer betrifft, übersteigt er alles bisher da gewesene. Israels Vorgehen im Gazastreifen verstößt somit zunehmend offener und schwerer gegen humanitäres Völkerrecht. Eine sich aufdrängende Vermutung, die man zu den Hintergründen dieses Vorgehens haben kann, besteht darin, dass die sog. “Dahiya Doktrin”, die damals im Libanon-Krieg angewendet wurde, auch im Gazastreifen zum Einsatz kommt. Bei dieser Doktrin, die der israelische General Gadi Eizenkot damals als “Strategie” im Krieg gegen den Libanon benannte, geht es darum, “unverhältnismäßige Gewalt auszuüben und großen Schaden und Zerstörung anzurichten”, um dadurch indirekt, nämlich durch ein möglichst hohes Leid für die Zivilbevölkerung, Druck auf den militärischen Gegner auszuüben.1 Die israelische Menschenrechtsorganisation “Public Committee Against Torture in Israel” (PCATI) kam bereits 2009 zu dem Schluss, dass das militärische Vorgehen Israels die Übertragung dieser Doktrin auf den Gazastreifen erkennen lässt.2 Dies ist auch konsistent zu der Blockade, die Israel gegen den Gazastreifen verhängt hat, da es bei dieser darum gehe, Gaza auf dem “niedrigsten Niveau funktionsfähig zu halten, das noch gerade eine humanitäre Katastrophe vermeidet”, wie u.a. die israelische Tageszeitung Haaretz im Januar 20113 meldete und dabei Bezug nahm auf ein WikiLeaks-Dokument, das Äußerungen israelischer Regierungsfunktionäre gegenüber der US-Botschaft dokumentierte.

Trotz dieser Handlungen der israelischen Regierung und Militärs gegenüber den Menschen im Gazastreifen, und auch trotz der zahlreichen zivilen Opfer im jüngsten Krieg lieferten die USA noch Ende Juli Munitionsnachschub im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus ihren Depots vor Ort an das israelische Militär, so dass dieses sein illegitimes Vorgehen fortsetzen konnte. Es gibt also eine große Verantwortlichkeit seitens der “westlichen Verbündeten”, was die Aufrechterhaltung des Unrechts in und um den Gazastreifen anbelangt. Die Öffentlichkeit in diesen Ländern steht daher auch besonders in der Verantwortung ihre Regierungen in die Pflicht zu nehmen, um dies zu beenden.

Eine Protestaktion, um die Öffentlichkeit auf die Geschehnisse aufmerksam zu machen, unternahm der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Aktivist Norman Finkelstein zusammen mit 25 weiteren Menschen am 30. Juli in New York, siehe hierzu wieder Democracy Now!:


(Quelle: Democracy Now!, “Video: Norman Finkelstein & 25 Others Arrested at Israeli U.N. Mission Protesting Gaza Assault”, 30.7.2014)

  1. “We will apply disproportionate force on it (village) and cause great damage and destruction there.”, Gadi Eizenkot gemäß ynetnews vom 30.3.2008 []
  2. siehe hierzu “No Second Thoughts”, PCATI, Special Report Nov. 2009 []
  3. siehe “WikiLeaks: Israel aimed to keep Gaza economy on brink of collapse”, Haaretz, 5.11.2011 []

Jascha Jaworski

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