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Warum die Biermann-Claqueure nur Philister sind…

Ja, das brauchen sie, die konservativen Wirtschaftslobbyisten im Bundestag, einen Wolf Biermann, der als DDR-ausgebürgerter Liedermacher die Linken als “elenden Rest” beschimpft. Was interessieren uns auch die Übel von heute, wenn man auf die Übel des Gegners von vorgestern verweisen kann. Mal abgesehen davon, dass ein Großteil aus der Linkspartei überhaupt nichts mit der SED-Vergangenheit zu tun hat, sondern sich seit der Zusammenführung von WASG und PDS auch aus dem westdeutschen Gewerkschaftsspektrum, ehemaligen, da kritischen Sozialdemokrat*innen oder Friedenstreuen zusammensetzt. Darum geht es schließlich nicht, es geht darum, in der Wiedervereinigungsfolklore eine geschliffene Version der Geschichte in den Köpfen zu verankern, ein trübes Gemeinschaftsbewusstsein zu stiften und dabei von den eigenen Gegenwartsverbrechen abzulenken. Wenn es den Claqueuren aus der neoliberalen Einheitspartei darum ginge, die Menschenrechte hochzuhalten und sich der Unterdrückung und dem Unrecht entgegenzustellen, hätten sie den Biermann doch bitten sollen, auch ein paar kritische Worte zu ihrer Politik zu äußern, Stichworte wären etwa die Duldung des menschenrechtswidrigen Drohnenmassentötens (ohne Gerichtsverfahren) von deutschem Boden aus, Leopard II-Panzer für das aufstandsunterdrückende, erzreaktionäre Saudi-Arabien (deutsche Spitzenechnologie zum Menschenrechtsbruch also), die Unterdrückung der Bürgerrechte in der EU zur Durchsetzung deutscher Austeritätswünsche, die Unterstützung der NSA-Totalüberwachung seitens deutscher Geheimdienste usw. usf. Und nicht zu vergessen, dass von den Claqueuren stets nur die eine Hälfte der Menschenrechte, nämlich die bürgerlichen und politischen genannt werden, und dies eben nur, wenn es ihnen passt, die andere Hälfte hingegen, die wirtschaftlichen und sozialen, will man gern vergessen machen, sind sie doch eher ein Störelement in der neoliberalen Agenda, wie sich an der sozialen Entrechtung von Millionen in der Eurokrise zeigt.1 Man will eben höchstens einige Menschenrechte realisiert wissen, ihre Unteilbarkeit stört da nur. Wie sagte Volker Pispers doch sinngemäß: “Mit dem Fall der Mauer lernten die Deutschen die Hilfsverben unterscheiden, nämlich den Unterschied zwischen reisen >dürfen< und reisen >können<“.

Damit all diese Verlogenheit um die Menschenrechte – zu der noch eine Unendlichkeit mehr zu sagen wäre – nicht sichtbar wird, braucht es also solch einseitig diffamierende Ereignisse, wie den Ausbruch eines Biermann im Bundestag, damit die Philister und Menschenrechtsbrecher von heute ihre Schuld wegklatschen können. Neu ist das natürlich nicht.

Nachtrag:

Zum Realsatirischen des Ereignisses siehe auch:

“Biermann als Sankt Georg – Die 25ste Beerdigung der verstorbenen DDR” (Rationalgalerie, 7.11.2014)
 

  1. Der Bericht über beschäftigungs- und sozialpolitische Aspekte der Rolle und der Tätigkeiten der Troika (EZB, Kommission und IWF) in Bezug auf Programmländer des Euro-Währungsgebiets stellte im Februar 2014 bezogen auf soziale Rechte etwa fest: „[…] Außerdem hat die Troika Artikel 151 AEUV [Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, JJ] vollständig außer Acht gelassen, in dem festgelegt wird, dass die Handlungen der Union und der Mitgliedstaaten im Einklang stehen müssen mit den sozialen Grundrechten, die in der Europäischen Sozialcharta von 1961 (der die vier Länder mit makroökonomischem Anpassungsprogramm beigetreten sind) und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 sowie einigen der Kernübereinkommen der IAO, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden, festgelegt sind.“ []

Jascha Jaworski

3 Kommentare

  1. Die neuesten Meldungen über die Machenschaften der Neoliberalen und Kapitalisten hätte Biermann dann auch noch aufgreifen müssen. Mit der Luxemburg-Leak wird deutlich wie ein System funktioniert, das auch Opfer fordert, die Biermann aber nicht benennt, sondern nur das Lied derer singt, dessen Brot er frißt.

  2. Unsere “Freidenker”, die es sich zum Auftrag machen die ständig unsichtbarer werdende Opposition noch zu bekämpfen! Und natürlich springen die Grünen mit ihrer obersten Opportunistin, HartzIV-Päpstin und NATO-Mutti KGE wieder als Kampfhund der GroKo ein. Das nennt man wohl VORFREUDE AUF SCHWARZ-GRÜN!

  3. Was sagte einst Volker Pispers über Biermann?
    “Da kann man sehr schön sehen, was Alkohol aus Menschen machen kann …”
    LG Traumschau

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