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Die Neocons und McGoverns Empfehlung an Obama

Der pensionierte jahrzehntelange CIA Analyst Ray McGovern, der sich als Aktivist bereits häufiger bezüglich Ukraine-Krise und Russlandkonfrontation zu Wort gemeldet hat, führt in einem neuen Beitrag noch einmal auf, welcher Mittel sich seitens einiger Akteure auf US-Seite bedient wurde, um den aktuellen Konflikt herbeizuführen. Er geht dabei auf die geschichtliche Unterschlagung von Fakten und Zusagen (u.a. in Sachen NATO-Osterweiterung), die in den US-Mainstreammedien transportierten Falscherzählungen, sowie die außenpolitische Verbindung der Regierung Obama in das neokonservative Lager ein, dessen Wirken bereits im Syrienkonflikt erkennbar war. Basierend auf der Analyse empfiehlt er Präsident Obama, der durch die Hilfe Präsident Putins damals einen Krieg gegen Syrien umgehen konnte, fünf Handlungspunkte für 2015, um eine Deeskalation mit Russland herbeizuführen:

“Rebuilding the Obama-Putin Trust” (consortiumnews.com, 3.1.2015)

Informationen, wie sie McGovern liefert, sollte man möglichst immer griffbereit dabei haben. Man möchte meinen, dass ein großer Teil von ihnen mittlerweile in der Öffentlichkeit angekommen ist, das darf jedoch bezweifelt werden. Ich vermute, dass die Informationen für 90% der Menschen hierzulande überhaupt nicht zu jenem Bild gehören, das sie sich vom Konflikt gemacht haben. Obama hatte u.a. in seiner West Point Rede stolz betont, wie erfolgreich die US-Politik dazu in der Lage ist, die öffentliche Meinung in Europa zu gestalten. Vielleicht sollte man sich auch immer vor Augen halten, was der große Geostratege und ehem. Nationale Sicherheitsberater der USA, Brzezinski, in seinem Werk The Grand Chessboard über Europa als den “Brückenkopf” der Vereinigten Staaten im Machtspiel um den eurasischen Superkontinent dargelegt hat:

“[S.25] Aufgrund dieser inländischen Gegebenheiten betont das amerikanische Globalsystem die Methoden der Kooptierung […] in weitaus höherem Maße als die vorherigen imperialen Systeme. Ebenso wie diese beruht es stark auf der indirekten Machtausübung durch abhängige Eliten, während es einen großen Vorteil aus der Anziehungskraft seiner demokratischen Prinzipien und Institutionen zieht. Alles Vorangestellte wird verstärkt durch den massiven, jedoch immateriellen Einfluss der amerikanischen Dominanz in der globalen Kommunikation, dem Unterhaltungsbereich und der Massenkultur, sowie durch den potentiell sehr konkreten Einfluss durch die amerikanische Spitzentechnologie und globale Militärreichweite. […]
[S.27] Die westliche Hemisphäre ist weitgehend abgeschirmt gegen Einflüsse von außen, was es Amerika erlaubt, die zentrale Rolle in den vorhandenen multilateralen Institutionen der Erdhalbkugel zu spielen. […] Auch der ehemalige sowjetische Raum ist durchdrungen von diversen amerikanisch finanzierten Arrangements für eine engere Kooperation mit der NATO, so z.B. die Partnerschaft für den Frieden.”1

(Zbigniew Brzezinski – The Grand Chessboard – American Primacy and Its Geostrategic Imperatives, 1997)

Wer übrigens behauptet, Brzezinskis damaliges Denken würde in der heutigen Außenpolitik der Vereinigten Staaten keine Rolle mehr spielen, wie dies zu Weilen von begeisterten Transatlantikern auf die Erwähnung des entlarvenden Buchs hin getan wird, mag nur insofern Recht haben, als dass Brzezinski der Durchsetzung einer unipolaren Welt unter US-Vorherrschaft noch eine umfassende Analyse der geopolitischen Interessenlagen zugrunde legte (die unabhängig von ihrer Angemessenheit zumindest auf tiefgreifenden Kenntnissen und Überlegungen basiert), während man von den heutigen neokonservativen Kräften, die nach ihrer Hochphase unter Bush jr. die US-Außenpolitik erneut zu gestalten scheinen, nicht erst seit der im Dezember 2014 verabschiedeten aggressiven Resolution 758 gegen Russland (Übersetzung siehe luftpost-kl.de) den Eindruck gewinnt, dass hier komplett frei von Realitätssinn vorgegangen wird.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Außenpolitik auch unter Obama von einem Denken geprägt wird, wie es der Journalist Ronald Suskind basierend auf der Aussage eines Beraters der damaligen Regierung Bush jr. rezitierte:

“Im Sommer 2002, nachdem ich einen Artikel im Esquire über Bushs früheren Kommunikationsleiter, Karen Hughes, geschrieben hatte, der dem Weißen Haus missfiel, hatte ich ein Treffen mit einem Berater von Bush. […] Der Berater sagte, dass Leute wie ich das wären, >>was wir die realitätsbasierte Gemeinde nennen,<< welche er definierte als jene, die >>glauben, dass die Lösungen hervortreten durch das urteilsbasierte Studium der wahrnehmbaren Realität.<< Ich nickte und murmelte etwas von Prinzipien der Aufklärung und Empirie. Er schnitt mir das Wort ab. >>Das ist nicht die Art und Weise, wie die Welt heute noch funktioniert,<< fuhr er fort. >>Wir sind jetzt ein Imperium, und wenn wir handeln, erschaffen wir unsere eigene Realität. Und während Sie die Realität studieren – urteilsbasiert, wie auch immer Sie wollen – werden wir erneut handeln, und neue Realitäten schaffen, die Sie erneut studieren können, und das ist die Weise, wie sich die Dinge herausnehmen. Wir sind die Akteure der Geschichte… und Ihr, alle von Euch, werdet damit zurückgelassen sein, das zu studieren, was wir tun.<<”2

(Ron Suskind, Faith, Certainty and the Presidency of George W. Bush, The New York Times Magazine, 17.10.2004)

Wie sehr Prinzipien der “Aufklärung” im methodischen Sinne auch genau in der Außen- und Geopolitik eine Rolle gespielt haben mögen – inhaltlich handelte sich stets um mehr oder weniger glaubensgeeignete Cover-Stories für die Machtansprüche der Eliten -, in der aktuellen Russlandkonfrontation wird anhand der massiven Propaganda und Hetze, sowie der Aufrüstungs- und Militärrhetorik jedenfalls mit den Händen greifbar, dass die Realitätsverweigerung ihren desaströsen Zenit anpeilt. Dass Obama hier nur Gefangener der Verhältnisse ist, denen er eigentlich zu entfliehen versucht, mag eine reine Erlösungsphantasie sein.

 

  1. Übers. Maskenfall, Original: “[p.25] Because of these domestic factors, the American global system emphasizes the technique of co-optation […] to a much greater extent than the earlier imperial systems did. It likewise relies heavily on the indirect exercise of influence on dependent foreign elites, while drawing much benefit from the appeal of its democratic principles and institutions. All of the foregoing are reinforced by the massive but intangible impact of the American domination of global communications, popular entertainment, and mass culture and by the potentially very tangible clout of America’s technological edge and global military reach. […]
    [p.27] The Western Hemisphere is generally shielded from outside influences, enabling America to play the central role in existing hemispheric multilateral organizations. […] Special security arragements in the Persian Gulf, especially after the brief punitive mission 1991 against Iraq, have made that economically vital region into an American militar preserve. Even the former Soviet space is permeated by various American-sponsored arrangements for closer cooperation with NATO, such as the Partnership for Peace.” []
  2. Übers. Maskenfall, Original: “In the summer of 2002, after I had written an article in Esquire that the White House didn’t like about Bush’s former communications director, Karen Hughes, I had a meeting with a senior adviser to Bush. […] The aide said that guys like me were >>in what we call the reality-based community,<< which he defined as people who >>believe that solutions emerge from your judicious study of discernible reality.<< I nodded and murmured something about enlightenment principles and empiricism. He cut me off. >>That’s not the way the world really works anymore,<< he continued. >>We’re an empire now, and when we act, we create our own reality. And while you’re studying that reality — judiciously, as you will — we’ll act again, creating other new realities, which you can study too, and that’s how things will sort out. We’re history’s actors . . . and you, all of you, will be left to just study what we do.<<“ []

Jascha Jaworski

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