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Die FIFA – Das Hauptproblem des Vergabe-Systems

Geht es um Korruption in der FIFA, wird immer wieder die Person Sepp Blatter kritisiert. Wie in vielen anderen Fällen liegt es nahe, die Verantwortung einzelnen Führungsfiguren zu übertragen. Dabei werden jedoch die vielen Mitglieder, die ihre Führer unterstützen und wählen, ignoriert. Damit bleibt aber der Blick auf die tatsächlichen Wurzeln der Korruption im WM-Vergabesystem, auf das sich dieser Artikel im Speziellen konzentriert, versperrt.

Wer die Wahl hat…

Wer über rechtmäßigen Besitz Macht ausübt, muss sich nicht wählen lassen, und kann daher zumeist von oben nach unten regieren. Wer aber von Unten gewählt wird, muss sich den Interessen seiner Unterstützer stark anpassen, wenn er/sie nicht gerade gute Möglichkeiten hat, um seine Unterstützer zu beeinflussen. Letzteres gilt für viele politische Persönlichkeiten, aber eben auch für Herrn Blatter von der FIFA. Stellt sich also die Frage, warum dieser Mann so viel Unterstützung erhält.

Dazu sollte man zuerst einen kurzen Blick auf die wichtigsten Organe der FIFA werfen. Das Hauptgremium der FIFA ist der Kongress. Jeder Fußballverband, der Mitglied der FIFA ist, stellt unabhängig von seiner Größe einen Delegierten im Kongress. Insgesamt gibt es zur Zeit 209 Mitgliedsverbände. Der Kongress bestätigt bzw. wählt wiederum das Exekutiv-Komitee und den Präsidenten. Damit ist der Kongress die wichtigste und somit entscheidende Ebene für die Suche nach der Ursache im kurrupten System.

Bei der Vergabe der Austragung einer Fußball-Weltmeisterschaft müssen nun zwei verschiedene Lager im Kongress berücksichtigt werden. Das erste Lager sind die Länder, die sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten als Austragungsort bewerben. Das zweite Lager sind all diejenigen, die sich gerade nicht bewerben1. Daraus entsteht ein Problem, weil der Austragungsort einer WM für das Sportereignis überwiegend irrelevant ist. Da es bestimmte am Sport ausgerichtete Richtlinien und Rahmenbedingungen bei einer Austragung einzuhalten gilt, der Verlauf und die Umstände der Spiele selbst durch den Standort nicht nennenswert verändert werden2 und der Ort auch aufgrund der weltweiten Übertragung über das Fernsehen für Fans eher unbedeutend ist, kann das Fußballspiel durch eine Auswahl des Austragungsortes kaum “verbessert” werden. Dementsprechend ist es den meisten wählenden Mitgliedern schlicht und ergreifend ziemlich egal, wo die nächste WM stattfindet. Das sehen die Länder, die sich beworben haben und eine WM austragen wollen, aus vor allem wirtschaftlichen Gründen jedoch anders. Da es – wie gesagt – kaum nennenswerte Vorteile ihres Standortes gibt, greifen sie hin und wieder zu Beziehungen und Bestechung. Die Korruption ist gebohren. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass nicht nur die kleinen Vereine der Welt, die vorwiegend Herrn Blatter unterstützen, Schuld an der Korruption sind. Die kleinen Vereine lassen sich bestechen, während die Vereine der finanzstarken Länder bestechen.

Fazit

Das Problem lässt sich also recht einfach zusammenfassen: Es macht keinen Sinn über einen Austragungsort abzustimmen, der aufgrund minimaler Einflüsse auf das Sportereignis für die Wählenden im Großen und Ganzen unbedeutend ist. Man stelle sich nur im privaten Kreis eine Abstimmung vor, bei der zwei Vorschläge im Raum stehen, die beide gleich gut sind, und bei der alle Wählenden nur gelangweilt mit den Schultern zucken und sagen “Ist mir eigentlich egal”. Wenn es egal ist, kann man sich die Wahl sparen. Vor allem in der FIFA, wo wirtschaftliche und zum Teil politische Interessen dazu führen, dass es zu unerwünschten Einflüssen auf die Wahl kommt. Da den Mitgliedern im Kongress diese Einflüsse allerdings entgegenkommen, wählen sie entsprechende Präsidenten. Es ist auch zu bezweifeln, dass die UEFA (der europäische Fußballverband), die sich tendenziell gegen Herrn Blatter stellt, dieses Problem beseitigen wird, da die reichen europäischen Länder ihre Einflussmöglichkeiten auf die Wahl des Austragungsortes vermutlich eher ungern aufgeben möchten, wo der Fußball in Europa doch besonders populär ist.

Die Lösung ist dementsprechend ziemlich einfach. Anstatt einer Stimmwahl führt man eine gegen negative Einflüsse geschützte Zufallsauswahl ein. Alle Länder, die die Kriterien für die Bewerbung erfüllen, erhalten die gleiche Chance gezogen zu werden. Ein Land, das Austragungort gewesen ist, muss für eine bestimmte Zeit, z. B. 6 Weltmeisterschaften, auf Bewerbungen verzichten, so dass in diesem Fall nur maximal alle 28 Jahre eine WM im selben Land ausgetragen werden könnte. Eventuell können auch Länder des selben Kontinents für mindestens eine WM-Austragung gesperrt werden, um Austragungen weltweit gleichmäßiger zu verteilen. Zumindest im Vergabe-System der FIFA wäre Bestechung dann hinfällig, so dass die Austragung zumindest fair vergeben werden könnte. Weitere Formen der Korruption, wie die Beeinflussung von Medien- und Marketingrechten, müssen auf Druck der Vereine und der hinter ihnen stehenden Länder schlicht und ergreifend mit politischen Kontrollen und Transparenz gelöst werden, die von dem Staat ausgehen sollten, in dem die FIFA ihren Sitz hat (also der Schweiz). Nur die Frage nach einem realistischen Impulsgeber für eine Veränderung bleibt – wie die hinsichtlich der meisten politischen Belange auch – mal wieder ungelöst.

  1. Sehr viele Mitgliedsvereine haben zudem auch kaum die finanziellen Möglichkeiten, eine WM auszutragen, oder finden in ihren Heimatländern nicht genug Rückhalt für eine WM-Austragung. []
  2. Nur klimatische Faktoren haben kleinere Einflüsse auf den Spielverlauf. []

Jochen Schölermann

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