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No 697

“Das ist verrückt. Nachdem Sky News auf mysteriöse Weise einen Beitrag über die Proteste in Amsterdam gelöscht hatte, hat das Unternehmen nun eine neue Version veröffentlicht. Die neue Version ändert die Stoßrichtung komplett und betont nun, dass die Gewalt antisemitisch war. Siehe unten die Änderung im Eröffnungs-Screenshot […]
Hier noch beide Videos für die Nachwelt.
[Usprüngliche Version, Video links, Anm. JJ:] >>Gewalt in Amsterdam hat mindestens fünf Menschen verletzt zurückgelassen und Duzende sind in Gewahrsam genommen worden. Aber was ist geschehen? Unterstützer des israelischen Fußballvereins Maccabi Tel Aviv trafen in Amsterdam vor dem UEFA Europa League Spiel gegen den Amsterdamer Verein AJAX an. Am Mittwoch zeigten Videos auf sozialen Medien, die durch Sky News verifiziert wurden, wie Maccabi Tel Aviv Fans palästinensische Fahnen an Häusern herunterrissen. Andere Videos auf den sozialen Medien schienen zu zeigen, wie Anwohner Maccabi Tel Aviv Fans jagten. Am Donnerstag vor dem Spiel wurden Menschenmengen von Maccabi Fans dabei gefilmt wurden, wie sie rassistische und anti-arabische Lieder sangen. […] Maccabi Fans wurden dabei gesehen, wie sie Anwohner attackierten, als ein Polzeiauto daran vorbeifuhr. […] Maccabi Fans berichteten, dass sie auf den Strraßen der niederländischen Hauptstadt geschlagen und attackiert wurden. Wobei Videos einiges der Gewalt zeigen. […]
Niederländische, israelische und britische Entscheidungsträger verurteilten die Attacken als antisemitisch und verwiesen darauf sogar als ein Pogrom, aber ihre Stellungnahmen vergaßen die Angriffe durch israelische Hooligans auf niederländische Bürger zu erwähnen.<<”1)

(Marc Owen Jones, Professor für Middle East Studies and Digital Humanities an der Hamad bin Khalifa University, Doha – Thread vom 9.11.2024, Twitter-Kanal von Marc Owen Jones, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Auch wenn das jeweilige Gewaltausmaß und die Hergänge der Ereignisse in Amsterdam nicht aufgeklärt sind, wird deutlich, dass die Darstellung in unseren Leitmedien, ebenso wie die Aussagen führender Politikerinnen und Politiker, mindestens erhebliche Teile der Realität ausblenden. Die gewalthaften Ausschreitungen gegen Maccabi Fans sind natürlich in keiner Weise zu rechtfertigen, erschreckend ist jedoch, wie westliche Medien unter diesem Druck – und zweifelhaften eigenen Interessen / Loyalitäten – ihren Ruf gerade komplett ruinieren, zumindest in  den Augen derer, die in der Lage sind, sich ein erweitertes Bild zu machen (auch wenn man wachsam ob der vielen Interessen und Zerrdarstellungen bleiben muss). Hier sollen offenbar erhebliche Teile der Öffentlichkeit hinter die Fichte geführt werden. Verwiesen sei noch auf ein Video, das das Gebaren von Teilen der Maccabi Fans im Stadion zeigt, die sich dafür verweigerten, für die Opfer der Flutkatastrophe in Spanien eine Schweigeminute einzuhalten: https://x.com/LuckyHeronSay/status/1854888973870436393. Die Gewalt gegen die Fans rechtfertigt dies alles nicht, doch diese Dinge gehören zu einem Gesamtbild dazu, um einen realistischen Eindruck davon zu bekommen, wie die Auseinandersetzungen zustande kamen und was ihr Hintergrund ist. Wir bewegen uns immer weiter in eine Parallelrealität, was den Nexus Naher Osten, Israel, Krieg und Antisemitismus anbelangt. In dieser Parallelrealität wird der Begriff des Antisemitismus – der zweifellos in Anbetracht eines weit verbreiteten und gefährlichen Phänomens so wichtig ist – leider auf schändliche Weise missbraucht. Verwiesen sei noch auf den Bericht des jungen niederländischen Reporters Omer Bender, der nach dem Spiel vor Ort war und dokumentiert hat, wie Maccabi Fans mit Stahlpfählen ausgestattet um die Häuser zogen: “Israëlische Hooligans Zetten Amsterdam Op Zijn Kop” (englische Untertitel im Video aktivierbar []
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No 696

“Und die Lage ist wirklich katastrophal, insbesondere deswegen, weil die israelische Luftwaffe vorsätzlich und bewusst die medizinische Infrastruktur im Norden des Gazastreifens fast vollständig zerstört hat. Und es ist interessant, was hier Joyce Msuya zu Protokoll gegeben hat, sie ist die Unterstaatssekretärin für humanitäre Angelegenheiten und internationale Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen, und sie gab also Folgendes Ende Oktober zu Protokoll, sie sagte, es sind die letzten noch verbliebenen Krankenhäuser, soweit sie noch operieren, getroffen worden. Medizinische Hilfskräfte wurden inhaftiert und Hilfskräfte wurden militärisch daran gehindert, oder unter Einsatz von Waffengewalt, Menschen, die unter den Trümmern zusammengestürzter Gebäude festsaßen, zu befreien. Zufluchtsorte, wo die mehrfach schon vertriebenen Menschen versucht haben unterzukommen, wurden zwangsgeräumt und niedergebrannt. Familien wurden getrennt. Männer, wie auch Jungen, wurden auf die Ladeflächen von LKWs verbracht und an einen unbekannten Ort abtransportiert […]. Am 25. Oktober hat die israelische Armee das letzte noch auf niedrigstem Niveau funktionierende Krankenhaus im Norden des Gazastreifens, das Kamal Adwan Krankenhaus, angegriffen, und hat zahlreiche Patienten dort verhaftet. Sie waren teilweise schwer verletzt, sie wurden trotzdem aus ihren Betten gezogen und entführt. Das Gebäude wurde erst bombardiert, dann angegriffen und dann sind die Soldaten dort rein und haben wirklich in einem Akt des Vandalismus den größten Teil der Krankenhauseinrichtung, einschließlich der medizinischen Geräte, zerstört. Die führenden Ärzte wurden ebenfalls abtransportiert […].1

(Michael Lüders, Politik- und Islamwissenschaftler, Publizist – Wasteland, YouTube-Kanal von Michael Lüders, 1.11.2024)

  1. Anm. JJ: Siehe dazu auch den Bericht der unabhängigen internationalen Kommission zur Untersuchung in den besetzten palästinensischen Gebieten, Ostjerusalem und Israel, der im September 2024 der Generalversammlung der UN vorgelegt wurde, Zitat daraus: “The Commission finds that Israel has implemented a concerted policy to destroy the health-care system of Gaza. Israeli security forces have deliberately killed, wounded, arrested, detained, mistreated and tortured medical personnel and targeted medical vehicles, constituting the war crimes of wilful killing and mistreatment and the crime against humanity of extermination.”, Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, and Israel, 11.9.2024 []
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No 695

“Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat heute – mit Unterstützung des Palestinian Center for Human Rights (PCHR) in Gaza, dem Al Mezan Center for Human Rights in Gaza und der Menschenrechtsorganisation Al Haq aus Ramallah – im Namen unseres Mandanten aus dem Gazastreifen erneut einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt gegen deutsche Rüstungsgüter eingereicht, die dort zum Einsatz kommen können.
Trotz der rücksichtslosen israelischen Kriegsführung hat die Bundesregierung jüngst durch Bundeskanzler Olaf Scholz öffentlich klargestellt, dass sie weiter an der Lieferung deutscher Rüstungsgüter nach Israel festhält. Wir machen mit unserem Eilantrag deutlich, dass wir nicht bereit sind, die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik ad acta zu legen. […]
>>Palästinenser und Israelis verdienen den gleichen Schutz durch das Völkerrecht wie Menschen in der Ukraine oder im Libanon. Dass die Bundesregierung sich von Israel die Zusicherung einholt, mit deutschen Waffen nicht gegen humanitäres Völkerrecht zu verstoßen, zeigt, dass Berlin selbst Völkerrechtsverstöße in Gaza befürchtet. Diese israelische Absichtserklärung ist jedoch für die palästinensische Zivilbevölkerung wertlos und dient allein dem guten Gewissen im Bundeskanzleramt<<, so Dr. Alexander Schwarz, stellvertretender Programmleiter für Völkerstraftaten beim ECCHR.”

(European Center for Constitutional and Human Rights – Wir klagen weiter gegen deutsche Waffenexporte nach Israel, Website des ECCHR, 24.10.2024)

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No 694

“Ich bin israelischer Historiker. Meine Gemeinschaft schweigt immer noch zu sehr über den schrecklichen Krieg in Gaza. Über 8 Monate habe ich den Krieg aufmerksam verfolgt, >1000 Artikel gelesen und >1000 Videos/Bilder des Krieges von allen Seiten angesehen. Meine zusammenfassenden Schlussfolgerungen und mein vollständiger Bericht finden Sie im [Thread]:
[…] Details, Beispiele und viele, viele Quellen mit Fußnoten finden Sie in den Bildern am Ende dieser Kette oder im PDF-Format hier […]
Für eilige Leser: Die neue Version erweitert die vorherige Version (+35 Seiten) um neue Diskussionen (z. B. die Beteiligung der USA, Campusproteste) sowie neue Beweise und Erkenntnisse. Meine Schlussfolgerungen bleiben ähnlich und lauten wie folgt:
[…] In den letzten 8 Monaten [Stand Juni 2024, Anm. JJ] hat Israel wiederholt Palästinenser in Gaza massakriert, was zum Tod von >37.000 Palästinensern, zu Verletzungen von >85.000 und zu weiteren >10.000 noch vermissten Palästinensern führte. Die meisten Toten (~56 %) sind Frauen und Kinder. […]
Bisher hat Israel mehr Geiseln getötet als es durch Militäroperationen freigelassen hat […]. Bei vielen Gelegenheiten hat der israelische Premierminister die Verhandlungen zur Freilassung von Geiseln verzögert oder versucht, sie zu behindern. […]
Parallel zum Krieg in Gaza haben israelische Operationen (Militär und Siedler) im Westjordanland seit Kriegsbeginn zum Tod von über 500 Palästinensern geführt, es kam zu ethnischen Säuberungen in über 15 Gemeinden sowie zu einem starken Anstieg der Gewalt und Misshandlung von Palästinensern. […]”1

(Lee Mordechai, Geschichtsprofessor an der Hebräischen Universität Jerusalem – Tweet vom 18. Juni 2024, X-Kanal von Lee Mordechai, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Herr Mordechai macht sich sehr verdient dadurch, dass er die Untaten so umfassend dokumentiert und es dabei in Israel zur Zeit sicherlich als scharfer Kritiker der Regierungspolitik und gesellschaftlichen Richtung nicht einfach haben wird. Alle Achtung davor! Ein umfassendes Kompendium, das für die Nachwelt gesichert werden sollte, auch um die westliche Schuld genau beleuchten zu können. []
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No 693

“GENF (10. Oktober 2024) – Israel hat im Rahmen eines umfassenderen Angriffs auf Gaza eine konzertierte Politik der Zerstörung des Gesundheitssystems in Gaza begangen, bei dem es Kriegsverbrechen und das Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Vernichtung durch unerbittliche und vorsätzliche Angriffen auf medizinisches Personal und medizinische Einrichtungen begeht, erklärte die unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für das besetzte palästinensische Gebiet, einschließlich Ostjerusalem und Israel, heute in einem neuen Bericht.
Die Kommission untersuchte auch die Behandlung palästinensischer Häftlinge in Israel sowie israelischer und ausländischer Geiseln in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 und kam zu dem Schluss, dass Israel und palästinensische bewaffnete Gruppen für Folter und sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt verantwortlich sind.”1

(Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte – UN Commission finds war crimes and crimes against humanity in Israeli attacks on Gaza health facilities and treatment of detainees, hostages, Pressemitteilung des OHCHR, 10.10.2024, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Ohne Worte. Diese Meldung zeitgleich zu einem Statement des Bundeskanzlers, der stolz darauf verweist, dass Deutschland weiterhin eifrig Waffen nach Israel liefern wird. Während zugleich ein Protestcamp verboten wird, weil Greta Thunberg von der deutschen Polizei als gewaltbereit eingestuft wird (Polizei und Innenministerium missbrauchen offenbar ihre Befugnisse und verstoßen scheinbar gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung). Und während in den Talkshows rauf und runter Rechtfertigungen für das brutale israelische Vorgehen mit Faktenfreiheit an den Haaren herbeigezogen werden, durch die bloße Macht der Mehrzahl, die keineswegs repräsentativ für die Bevölkerung ist, dies aber suggieren soll. Liebe Mitinsassinnen und Mitinsassen, wir leben in einer Art landesweiten Psychiatrie, nur dass hier dringend Gesellschaftspathologien zu behandeln wären und das Leitungspersonal den schwerwiegendsten Behandlungsbedarf aufweist. Amüsant ist es nicht, es ekelt und schockiert mich. Es macht fassungslos. []
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No 692

“Einen Satz! Der israelische Ministerpräsident kam heute hierher und sagte, dass Israel von denen umgeben ist, die es zerstören wollen […]. Wir sind hier als Mitglieder eines muslimisch-arabischen Komitees, beauftragt von 57 arabischen und muslimischen Staaten. Und ich kann Ihnen an dieser Stelle sehr eindeutig sagen, alle von uns wollen sofort die Sicherheit von Israel garantieren im Zuge eines Endes der Besatzung Israels und der Akzeptanz gegenüber dem Zustandekommen eines palästinensischen Staates […]. Er ist es, der die Gefahr erzeugt, weil er keine Zwei-Staaten-Lösung will. Können Sie die israelischen Regierungsvertreter fragen, wie ihr Endspiel lautet? Außer bloß Kriege, Kriege, Kriege? Ich sage Ihnen, alle von uns hier in der arabischen Welt wollen einen Frieden, in dem Israel in Frieden und Sicherheit lebt, akzeptiert und in normalen Beziehungen mit allen arabischen Staaten, im Kontext eines Endes der Besatzung, des Rückzugs aus arabischen Territorien, der Akzeptanz des Zustandekommens eines unabhängigen palästinensischen States in den Grenzen von 1967 kombiniert mit Jerusalem als Hauptstadt. Das ist unsere Erzählung. Und wir werden Israels Sicherheit in diesem Kontext garantieren. Können Sie die Israelis fragen, was ihre Erzählung ist? Abgesehen davon, weiterhin in den Krieg zu ziehen, dieses und jenes zu zerstören? Das Ausmaß des Schadens, den israelische Regierungen angerichtet haben. 30 Jahre der Anstrengungen, um Menschen davon zu überzeugen, dass Frieden möglich ist, diese israelische Regierung hat sie zerstört. Das Ausmaß von Dehumanisierung, Hass, Verbitterung, es wird Generationen brauchen, um wieder daraus zu navigieren. Schlussendlich ist somit die Frage: Wir wollen Frieden und wir haben einen Plan für den Frieden vorgelegt. Fragen Sie irgendeinen israelischen Regierungsvertreter, was sein Plan für den Frieden ist. Sie werden nichts hören. Weil Sie stets nur über den ersten Schritt nachdenken, der da lautet: Wir werden Gaza zerstören, den Libanon zerstören. Und danach haben sie keinen Plan. Wir haben einen Plan. Wir haben keinen Partner für Frieden in Israel. Es gibt einen Partner für Frieden in der arabischen Welt. Und das ist der Grund, weshalb die internationale Gemeinschaft sich bewegen muss.”

(Ayman Safadi, Außenminister Jordaniens – Ergänzung auf der Pressekonferenz des muslimisch arabischen Komitees in New York vom 27.9.2024, Twitter-Kanal des jordanischen Außenministeriums, 28.9.2024, Übers. Maskenfall)

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No 691

“Eine der aussagekräftigsten Stimmen ist die eines Soldaten, Yishai Rosen-Zvi, der sich weigerte, im besetzten Westjordanland zu dienen und der >>den riesigen Bluff des israelischen Establishments<< beschreibt und hinzufügt: >>[Jede] Kritik an der Politik wird als Antisemitismus bezeichnet, [wobei] die Kritik an der Politik des eigenen Landes das einzig Patriotische ist, das man tun kann.<<
Seine Worte sind prophetisch. Eine orchestrierte, von Zionisten geführte Kampagne gegen >>Palestine is Still the Issue<< [Doku 2002, Anm. JJ] wurde gestartet, hauptsächlich in den Vereinigten Staaten von Gruppen, die den Film nicht gesehen hatten. Jede von ihnen verschickte E-Mail hatte ein allgemeines Thema: >>Antisemitismus<< – eine frühe Version von >>Bots<< in sozialen Medien. Pilger und seine Familie erhielten Morddrohungen.
In Großbritannien führte die Independent Television Commission, damals die Regulierungsbehörde für kommerzielles Fernsehen, eine dreimonatige Untersuchung durch und kam zu dem Schluss, dass >>Palestine is Still the Issue<< >>fair und ausgewogen<< sei und nicht gegen die Klausel zur >>gebotenen Unparteilichkeit<< im Rundfunkgesetz von 1990 verstoßen habe. Die Jury lobte die historische Genauigkeit des Films, sowie die >>Sorgfalt und Gründlichkeit, mit der er recherchiert wurde<<. >>Palestine is Still the Issue<< gewann mehrere internationale Preise.”1

(Editoren von johnpilger.com – Palestine Is Still The Issue, Website johnpilger.com, abgerufen am 22.9.2024, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Diesmal ein sehr verzögertes “Sonntagszitat”. Die Dokumentation von John Pilger über Palästina von 2002 ist sehr empfehlenswert, um in kurzer Zeit ein Bild davon zu bekommen, was im Konflikt Israel-Palästina vor sich geht und wie verzerrt die Darstellung im Mainstream vieler westlicher Länder ist. Würde Pilger den heutigen Krieg, der auf einen Völkermord hinauszulaufen droht, mitbekommen, wäre er sicherlich wenig erstaunt, hätte jedoch eine Aufgabe auf die nächsten Jahre, um all das Unrecht, die Grausamkeiten und die Skrupellosigkeit, gedeckt von einflussreichen westlichen Ländern, so auch Deutschland, zusammenfassend wiederzugeben und zumindest das Leid sichtbar zu machen, auf dass dereinst eine gerechtere Welt entsteht. []
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No 690

“Wir sagen es sehr offen und klar: Diese israelische Regierung zu unterstützen, bedeutet nicht, Israel zu unterstützen, im Gegenteil. Israel zu unterstützen, würde bedeuten, dagegen aufzustehen, was Israel tut, was die Verletzung des Völkerrechts anbelangt, was das humanitäre Völkerrecht anbelangt, was das Drängen in Richtung Eskalation anbelangt, was das Töten unschuldiger Menschen anbelangt. Die Palästinenser sind die größten Opfer dieser Aggression. Aber die Glaubwürdigkeit des Völkerrechts ist überdies das Opfer. Das Ansehen – und ich muss sehr sehr ehrlich sein, wenn ich darf, Annalena – das Ansehen von Ländern wie Deutschland in der Region, ist außerdem das Opfer. Diese israelische Regierung interessiert sich nicht für das Völkerrecht. Sie hat gezeigt, dass sie sich nicht für das humanitäre Völkerrecht interessiert. Sie hat gezeigt, dass sie sich nicht für Frieden interessiert, und nicht für ihre Freunde. […] Die ‘humanitäre Achse’, die USA, Deutschland und andere enge ‘Freunde’ von Israel haben Israel gedrängt, die Belagerung Gazas zu beenden und genügend humanitäre Hilfe zu erlauben. Die israelische Regierung wies sie zurück. […] Die USA, Deutschland und andere drängten auf Waffenstillstandsverhandlungen, der israelische Ministerpräsident brach diese Gespräche ab. Auch das Austauschabkommen. Alle unterstützten das Austauschabkommen, der israelische Ministerpräsident brach dies ab. Weil er dies nicht will. Er will mit diesem Krieg weitermachen. Daher ist die Frage, die man sich stellen sollte: Bedeutet die Unterstützung dieser israelischen Regierung die Unterstützung der langfristigen Interessen Israels, in Hinblick auf ein Israel, das in einer Region in Frieden leben kann, akzeptiert mit normalisierten Beziehungen? Oder sollten wir den Fakt zur Kenntnis nehmen, dass das, was diese israelische Regierung tut, darin besteht, Israel zu einem Pariastaat zu machen, der nicht in der Region akzeptiert werden wird […]. Und die Frage, die wirklich auf den Tisch gelegt wurde, lautet: Wann wird Deutschland Sanktionen gegen diejenigen verhängen, die ganz klar gegen das Völkerrecht und das humanitäre Völkerrecht verstoßen?”1

(Ayman Safadi, Außenminister Jordaniens – Pressekonferenz mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, September 2024, [Ex]Twitter-Kanal von Arnaud Bertrand, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Bemerkenswert klare Worte von einem erfahrenen Diplomaten. Es zeigt einmal mehr, wie groß die Ungeheuerlichkeit dahinter tatsächlich ist. []
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No 689

“Prantl verweist auf den Staats- und Völkerrechtler Carl Schmitt, der ein solches Denken theoretisch rechtfertigte. Schmitt sah es für eine Nation als unumgänglich an, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Daraus folgte für ihn, dass es auch zweierlei Recht geben müsse – das für die eigene Gruppe geltende Recht könne nicht für den Feind gelten, unabhängig davon, ob der sich im Inneren des eigenen Landes befinde oder außerhalb. Zwei Folgen dieses Denkens stellt Prantl besonders heraus.
Erstens: Die Dämonisierung des Bösen in der als Feind definierten Person oder Personengruppe lenke psychologisch von der Tatsache ab, dass die Fähigkeit, „gut“ oder „böse“ zu sein, in jedem Mensch angelegt sei. Damit sei der Blick für die Erkenntnis der jeweils konkreten Auslöser für „böses“ Verhalten verstellt, ebenso wie der Weg zu konkretem, friedensstiftendem Handeln über Diplomatie. Denn mit einer Ausgeburt des Bösen kann man nicht verhandeln, sie muss besiegt werden. Putins Angriff auf die Ukraine sei jedoch wegen des Völkerrechtsbruchs in einer bestimmten historischen Konstellation „böse“ und keineswegs Auswuchs eines diabolischen Geistes.
Zweitens: Die Angst vor einem Feind führe zum Festungsdenken. Man mauert sich ein und bewaffnet sich bis an die Zähne. Das sei aber – genauso wie völlig offene Grenzen – keine Lösung, um in der heutigen Welt sicher leben zu können. Grenzen seien notwendig. Zu bedenken sei jedoch, dass Einmauerungsverhalten zur spiegelbildlichen Gegenreaktion der Ausgegrenzten und damit zur Eskalation führe. Es gelte zu erkennen, dass die eigene Grenze nur so sicher sein könne, wie sich auch die Nachbarn sicher fühlten.
Und so ist auch eine Europäische Friedensordnung nach Prantls Auffassung schon allein aus geografischen Gründen ohne Russland nicht zu verwirklichen. Kollektive Sicherheit bedeute, dass die eigene Sicherheit nicht zu Lasten der Partner ausgeweitet werden dürfe.”

(Ulrike Simon, freie Autorin – Ernstfall Frieden, Makroskop, 6.9.2024)

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No 688

“Da ist zum anderen die Schuldenbremse im Grundgesetz, die offenbar dem deutschen Staat abverlangt, sich so lange unvernünftig zu verhalten, bis das Kind im Brunnen liegt. Weil die FDP sich in der libertären Wagenburg namens >>Solidität der Staatsfinanzen<< verschanzt hat, fühlen sich auch die Sozialdemokraten und die Grünen nicht dazu in der Lage, ihr Gehirn für eine absolut zwingende Logik zu öffnen (wie hier gezeigt). Es ist ja nicht so, als ob SPD und Grüne wirklich wüssten, worum es geht und sich nur mit Rücksicht auf die Koalition zurückhalten. Nein, niemand in den beiden Parteien hat verstanden oder will verstehen, dass sich der deutsche Staat angesichts des Sparverhaltens von privaten Haushalten und Unternehmen (und des außenwirtschaftlichen Überschusses) jährlich in einer Dimension verschulden muss, die weit jenseits dessen liegt, was sich selbst die sogenannten Reformer in Sachen Schuldenbremse vorstellen können.
Wird Trump Präsident und geht er gegen die Merkantilisten in Berlin via schwachem Dollar oder offenem Protektionismus vor, ist das gesamt deutsche Wirtschaftsmodell über Nacht obsolet. Das würde enorme negative Folgen für die deutsche Industrie und nachfolgend für die gesamte Wirtschaft haben. Dann geht es nicht um 3000 Arbeitsplätze, sondern eher um 300 000 oder gar um 3 Millionen.
Gegen all das wird man in Berlin einwenden, man könne doch nur die Instrumente einsetzen, die einer nationalen Regierung unter den gegebenen Umständen innerhalb der EWU zur Verfügung stehen. Das ist aus mindestens zwei Gründen falsch. Erstens, Deutschland kann selbst die Rahmenbedingungen in der EWU ändern, wenn es über den eigenen Schuldenschatten springt. Fast alle anderen Länder warten doch seit Jahrzehnten auf ein Deutschland, das über eine angemessene makroökonomische Analyse verfügt.
Zweitens, die makroökonomischen Grundbedingungen stehen auf einem weit höheren Wirkungsniveau als die tausend Klein-Klein-Maßnahmen, die sich die Regierung regelmäßig ausdenkt. Bleiben die makroökonomischen Grundbedingungen auf Restriktionskurs, kann man sich jede andere Maßnahme sparen. Die notwendige Bedingung für eine Erholung der Wirtschaft ist die Umkehr bei den gesamtwirtschaftlichen Nachfrage- und Investitionsbedingungen. Auch tausend kleine Maßnahmen auf der Angebotsseite können deren negative Wirkung nicht überspielen.”

(Heiner Flassbeck, ehem. Chefvolkswirt der UNCTAD – Symbolpolitik mit Helm oder wirksame Wirtschaftspolitik?, Relevante Ökonomik, 25.8.2024)