“Das Vorgehen deutscher Behörden gegen kritische Stimmen in Bezug auf die israelische Kampfführung im Gaza-Krieg sorgt für zunehmende Kritik. Insbesondere international häufen sich Presseberichte und besorgte Äußerungen über Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei zuletzt den Maßnahmen zur Unterbindung des Palästina-Kongresses in Berlin zu, die ebenfalls international stärker als hierzulande auf Kritik (s. etwa hier und hier) gestoßen sind. Unter anderem wurde dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis die Einreise in die Bundesrepublik verweigert, um ihn davon abzuhalten, eine Rede auf dem Kongress zu halten.
Der hochangesehene Rechtswissenschaftler Robert Howse, Professor an der New York University, äußerte hierzu: >>The treatment of @yanisvaroufakis by Germany raises the question of whether intl conferences should be held in Germany at all going forward.<< Auch wenn solche Boykottaufrufe aus deutscher Sicht überzogen erscheinen mögen, so wird man doch den damit zum Ausdruck kommenden internationalen Reputationsverlust Deutschlands aufgrund seiner Gaza-/Palästinapolitik nicht einfach ignorieren können, zumal er nun auch die deutsche Wissenschaftslandschaft erreicht hat (zur umstrittenen Absage der Albert Magnus Professur für Nancy Fraser s. die instruktive Diskussion zwischen Detjen und Kaube hier).
In der Sache erscheint das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen den Palästina-Kongress und bestimmte Einzelpersonen als überzogen und unverhältnismäßig. Im Lichte der Kooperation der Veranstalter mit den Sicherheitsbehörden (im Vorfeld und während der Veranstaltung) sowie der äußersten vagen Gefahrenprognose der Berliner Polizei spricht einiges dafür, dass die Auflösung der Veranstaltung (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 VersFG BE)1) rechtswidrig war (s. näher hier), insbesondere weil der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG nur für Versammlungen >>unter freiem Himmel<< gilt. Das sollte verwaltungsgerichtlich geklärt werden. Für ein rechtswidriges, vor allem grundrechtswidriges Vorgehen der Sicherheitsbehörden sprechen auch die behördlichen Maßnahmen gegen (aktive und passive) Teilnehmer der Veranstaltung, die auch im Nachgang – trotz Nachfrage – nicht plausibel erklärt worden sind.”1
(Kai Ambos, Professor für Straf- und Völkerrecht – Scharfgestellte Staatsräson, Verfassungsblog, 2.5.2024)
- Anm. JJ: Dem Anwalt von Varoufakis wird sogar seitens der Sicherheitsbörden die Antwort darüber verweigert, wer diese Entscheidungen getroffen hat und auf welcher rechtlichen Grundlagen sie basieren. Kafka lässt grüßen. Die Bundesregierung will nicht einmal mehr so mehr tun, als wäre es Rechtsstaat. [↩]