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No 700

“Und gerade aus der Geschichte heraus sollten wir eigentlich – in Deutschland hätten wir die ersten sein sollen, die diese Signale ernst nehmen, also diese genozidalen Äußerungen ernst nehmen. Ernst nehmen, erste Berichte über Völkerrechtsverbrechen, und das haben wir nicht getan. Also, ich denke, wenn wir aus der Geschichte etwas lernen möchten, sollten, dann doch, dass wir eben Kritik erlauben, eben um Schlimmes zu verhindern. Also, wir müssen eigentlich genau das Gegenteil von dem tun, was seit Monaten geschieht. Also, wir sollten eben schauen, dass wir ein Klima schaffen, in dem Kritik möglich ist, in dem ein harter Diskurs möglich ist, und es um die Sache geht – also, seit Monaten wird ja auch gar nicht über die Sache eigentlich gesprochen – um eben schlimme Dinge zu verhindern. Und jetzt sehen wir ja, dass schlimme Dinge passieren, seit Monaten sehen wir das. Wir wissen das, und Deutschland ist wie in so einer Schockstarre und reagiert nicht. Und das ist sehr schwer als Akademikerin, als Wissenschaftlerin, aber auch als Mensch, als Bürger zu verstehen, wie das sein kann. Also, wie kann es sein, dass wir tagtäglich Videos sehen, selbst von israelischen Soldaten, untermauert mit schöner Musik, Freude darüber, Dinge in Gaza zu zerstören, und wir haben gleichzeitig diese Untätigkeit. Also, wir sehen das ja, und handeln nicht, und es gibt auch keine Fragen darüber. Also, die zehntausenden toten, die zehntausenden verstümmelten Kinder. Kinder, die jetzt verwaist sind. Komplette Familien wurden ausgelöscht. Wie gesagt, die Verwendung von diesen sogenannten ‘dumb bombs’, von diesen 2000 Pfund Bomben, die eben alles zerstören, die auch diese Splitter auf sehr weite Fläche verbreiten. Ehm, wir haben all das, also das ist ja alles da. Wir wissen es, und es wird nicht reagiert. Also ich… es ist schwer nachzuvollziehen. Also es gibt diese rechtliche Verantwortung, aber allein menschlich, denke ich, sollte eigentlich klar sein, was hier Deutschland zu tun hat.”1

(Christine Binzel, Professorin für Volkswirtschaftslehre: Wirtschaft und Gesellschaft des Nahen Ostens – Haftbefehl gegen Netanjahu, Deutschlands Rolle & das Völkerrecht | BPK 29. November 2024, YouTube-Kanal von jung & naiv, 29.11.2024)

  1. Anm. JJ: Unbedingt empfehlenswerte Pressekonferenz zum Thema der Haftbefehle des IStGH gegen israelische Regierungsvertreter, des Risikos auf Völkermord in Gaza und der erschütternden deutschen Rolle. Es gibt sie, die anständigen, klargeistigen Menschen hierzulande, die auch ohne Doppelmoral auskommen und die Universalität des Rechts, sowie die Menchenrechte verteidigen. Eine Atempause von der surrealen, bedrückenden obersten Politik, mit der wir tagtäglich konfrontiert werden. Danke an alle Beteiligten! []
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No 697

“Das ist verrückt. Nachdem Sky News auf mysteriöse Weise einen Beitrag über die Proteste in Amsterdam gelöscht hatte, hat das Unternehmen nun eine neue Version veröffentlicht. Die neue Version ändert die Stoßrichtung komplett und betont nun, dass die Gewalt antisemitisch war. Siehe unten die Änderung im Eröffnungs-Screenshot […]
Hier noch beide Videos für die Nachwelt.
[Usprüngliche Version, Video links, Anm. JJ:] >>Gewalt in Amsterdam hat mindestens fünf Menschen verletzt zurückgelassen und Duzende sind in Gewahrsam genommen worden. Aber was ist geschehen? Unterstützer des israelischen Fußballvereins Maccabi Tel Aviv trafen in Amsterdam vor dem UEFA Europa League Spiel gegen den Amsterdamer Verein AJAX an. Am Mittwoch zeigten Videos auf sozialen Medien, die durch Sky News verifiziert wurden, wie Maccabi Tel Aviv Fans palästinensische Fahnen an Häusern herunterrissen. Andere Videos auf den sozialen Medien schienen zu zeigen, wie Anwohner Maccabi Tel Aviv Fans jagten. Am Donnerstag vor dem Spiel wurden Menschenmengen von Maccabi Fans dabei gefilmt wurden, wie sie rassistische und anti-arabische Lieder sangen. […] Maccabi Fans wurden dabei gesehen, wie sie Anwohner attackierten, als ein Polzeiauto daran vorbeifuhr. […] Maccabi Fans berichteten, dass sie auf den Strraßen der niederländischen Hauptstadt geschlagen und attackiert wurden. Wobei Videos einiges der Gewalt zeigen. […]
Niederländische, israelische und britische Entscheidungsträger verurteilten die Attacken als antisemitisch und verwiesen darauf sogar als ein Pogrom, aber ihre Stellungnahmen vergaßen die Angriffe durch israelische Hooligans auf niederländische Bürger zu erwähnen.<<”1)

(Marc Owen Jones, Professor für Middle East Studies and Digital Humanities an der Hamad bin Khalifa University, Doha – Thread vom 9.11.2024, Twitter-Kanal von Marc Owen Jones, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Auch wenn das jeweilige Gewaltausmaß und die Hergänge der Ereignisse in Amsterdam nicht aufgeklärt sind, wird deutlich, dass die Darstellung in unseren Leitmedien, ebenso wie die Aussagen führender Politikerinnen und Politiker, mindestens erhebliche Teile der Realität ausblenden. Die gewalthaften Ausschreitungen gegen Maccabi Fans sind natürlich in keiner Weise zu rechtfertigen, erschreckend ist jedoch, wie westliche Medien unter diesem Druck – und zweifelhaften eigenen Interessen / Loyalitäten – ihren Ruf gerade komplett ruinieren, zumindest in  den Augen derer, die in der Lage sind, sich ein erweitertes Bild zu machen (auch wenn man wachsam ob der vielen Interessen und Zerrdarstellungen bleiben muss). Hier sollen offenbar erhebliche Teile der Öffentlichkeit hinter die Fichte geführt werden. Verwiesen sei noch auf ein Video, das das Gebaren von Teilen der Maccabi Fans im Stadion zeigt, die sich dafür verweigerten, für die Opfer der Flutkatastrophe in Spanien eine Schweigeminute einzuhalten: https://x.com/LuckyHeronSay/status/1854888973870436393. Die Gewalt gegen die Fans rechtfertigt dies alles nicht, doch diese Dinge gehören zu einem Gesamtbild dazu, um einen realistischen Eindruck davon zu bekommen, wie die Auseinandersetzungen zustande kamen und was ihr Hintergrund ist. Wir bewegen uns immer weiter in eine Parallelrealität, was den Nexus Naher Osten, Israel, Krieg und Antisemitismus anbelangt. In dieser Parallelrealität wird der Begriff des Antisemitismus – der zweifellos in Anbetracht eines weit verbreiteten und gefährlichen Phänomens so wichtig ist – leider auf schändliche Weise missbraucht. Verwiesen sei noch auf den Bericht des jungen niederländischen Reporters Omer Bender, der nach dem Spiel vor Ort war und dokumentiert hat, wie Maccabi Fans mit Stahlpfählen ausgestattet um die Häuser zogen: “Israëlische Hooligans Zetten Amsterdam Op Zijn Kop” (englische Untertitel im Video aktivierbar []
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Fabian Goldmann: “Medien und Nahost: Anatomie eines Systemversagens [Audio]”

Fabian Goldmann leistet sehr wichtige und dankenswerte Dokumentationsarbeit und seziert die aktuelle mediale Begleitmusik des Nahostkonflikts, mit der wir Tag für Tag konfrontiert werden, und bei dem es allen Menschen, denen die Würde des Menschen nicht egal ist, sondern die um ihre Universalität wissen und sie hochhalten, nur erschaudern können. Fabian Goldmann hat seinen hervorragenden Artikel “Medien und Nahost: Anatomie eines Systemversagens” nun auch als Podcast umgesetzt. Unbedingt empfehlenswert:

“#14 Medien und Nahost: Anatomie eines Systemversagens [Audio]” (Scantall und die Scharia, 24.10.2024)

 

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Kommentar zur Dystopie von Gaza und Verlinkung eines Interviews zu Ilan Pappes jüngstem Buch

Der Krieg in Gaza ist wahrscheinlich eine der bedrückendsten Erscheinungen von Hass, Macht, Propaganda, der Nicht-Geltung der Universalität der Menschenrechte, dem Messen mit zweierlei Maß in einem Intensitätsgrad, bei dem mir nur das Wort ‘surreal’ einfällt. Er geschieht vor dem Hintergrund der freilich ungeheuerlichen Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober. Das kann jedoch nicht verdecken, dass es sich bei diesem Krieg und der Art, wie er geführt wird, wie die Zurschaustellung der Dystopie, auf der unsere Weltordnung aktuell gebaut ist, handelt. Die deutsche Bundesregierung macht sich mit ihrer diplomatischen, rechtlichen und militärischen Unterstützung der israelischen Regierung in erheblicher Weise mitschuldig (moralisch alle Male, inwiefern auch justiziabel, das wird hoffentlich die weitere Zukunft zeigen). Von offensichtlich realitätsjenseitigen Aussagen des Bundeskanzlers, Israels Militär würde sich an das Völkerrecht halten, über erhebliche Waffenexporte an das Land, das gerade einen Krieg führt, bei dem der Internationale Gerichtshof ein >>plausibles Risiko<< für einen Schaden an den Rechten der Palästinenser feststellt, die aus der Genozidkonvention resultieren – eine vornehme Formulierung für eine Monstrosität -, bis hin zu jüngsten rechtlichen Interventionen der Bundesregierung, die die Entscheidung über die beantragten Haftbefehle des Internationen Strafgerichtshofs gegen israelische Regierungsverantwortliche erheblich verzögern dürften.

Wer das Handeln der israelischen Regierung und ihrer Armee jedoch zur Kenntnis nimmt, weiß – auch ohne die diversen Urteile, Gutachten und Einschätzungen der höchsten Gerichte dieser Welt -, dass >>der Westen<< hier durch seine Rückendeckung noch einmal eine seiner entlarvendsten Machtdemonstrationen vor den Augen der Weltöffentlichkeit aufführt. Doch aus welchen Motiven heraus und unter welchen Einflüssen?

Immense historische Schuld, ebenso wie die offenbar arg missverstandene Lehre aus den ungeheuerlichen Verbrechen des Holocausts spielen auf deutscher Seite sicherlich eine ganz erhebliche – und tragische – Rolle. Bruno Maçães hat sich in einem lesenswerten Aufsatz mit den psychologischen Seiten der westlichen Fehlidentifikation in dem seit Jahrzehnten andauernden ‘Konflikt’ auseinandergesetzt1.

Einer der ganz großen Namen in Bezug auf diesen Konflikt, wenn es um Aufklärung im tiefgründigen Sinne geht, ist freilich der israelische Historiker Ilan Pappe. In seinem neuesten Buch hat er sich mit den politischen Lobbyorganisationen auseinandergesetzt, die die Aufrechterhaltung des nicht Aufrechterhaltbaren betreiben. Er berichtet über Einflussgruppen in Großbritannien und den USA, ihren historischen Wandel, ebenso wie die teils überraschenden Wurzeln zionistischer Ideen. Ich empfehle daher wärmstens ein Interview zum Buch, das Ilan Pappe jüngst im britischen Format >>Novara Media<< gegeben hat (leider ohne deutsche Untertitel):

“The Israel Lobby Is Real. This Is How It Works | Aaron Bastani meets Ilan Pappé” (YouTube-Kanal von Novara Media, 16.6.2024)

  1. siehe: “Gaza and the End of Western Fantasy”, TIME, Januar 2024 []
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Makronom: “Zahlt Italiens Bevölkerung den Preis für die Sparpolitik?”

Franz Prante, Alessandro Bramucci und Achim Truger stellen in einem aufschlussreichen Artikel die Entwicklung der italienischen Gesundheitskapazitäten seit den 1990er Jahren dar und stellen Bezüge zu der Kürzungspolitik her, wie sie einerseits durch die EU-Konvergenzkriterien und später andererseits durch die Nachfinanzkrisen-Auflagen motiviert bis bedingt war, Zitat:

“Besonders tragisch erscheint in diesem Zusammenhang die erhebliche Verringerung der Zahl der pneumologischen Betten während der Phase des verschärften Sparkurses nach 2010 in Italien. Nach Angaben des italienischen Gesundheitsministeriums ist die Zahl der pneumologischen Betten von 4.414 im Jahr 2010 auf 3.573 im Jahr 2018 zurückgegangen, was einem Rückgang von 19 Prozent entspricht.”

“Zahlt Italiens Bevölkerung den Preis für die Sparpolitik?” (Makronom, 29.4.2020)

Wie leicht der Gesundheitssektor rigiden Kürzungsauflagen zum Opfer fällt, ließ sich besonders auch im Falle Griechenlands beobachten, das nun ein Mahnmal für Italien ist, sich nicht unter ESM-Konstruktionen zu begeben:

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“Wer das Ziel kennt, kann auch besser zielen” – Corona-Basics von Nguyen-Kim

Die Wissenschaftsjournalistin und YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim hat ein hervorragend klargeistiges und überaus allgemeinverständliches Video zu den Optionen im Umgang mit dem Corona-Virus angefertigt, das gerade “viraler” unterwegs ist, als das Virus selbst. Wer auch schon vorher der Überzeugung war, dass “flatten the curve” natürlich nicht das Ende vom Lied sein kann, bekommt hier noch einmal die grundlegenden Rahmendaten und Annahmen für unterschiedliche Szenarien vor Augen geführt und erhält eine Skizze vom Weg, der noch bevorsteht, denn, Zitat: “Wer das Ziel kennt, kann auch besser zielen”:

“Corona geht gerade erst los” (YouTube-Kanal maiLab, 2.4.2020)

Ergänzend sei noch auf den ebenfalls sehr erfolgreichen in zahlreichen Sprachen erschienenen Artikel auf “Medium” verwiesen, der die im Video beschriebene Gegenüberstellung von “flatten the curve” vs. “hammer and dance” vertieft, hier auf deutsch, hier auf englisch.

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Volker Quaschning: “Warum ist das Klimaschutzpaket zum Kotzen?”

Es sieht nicht gut aus in Sachen Klimaschutz (und damit Friedensschutz, Gerechtigkeitsschutz…), wenn wirtschaftlich mächtige Interessen auf ihren alten Kapitalstöcken lieber sitzenbleiben wollen, anstatt sich für Investitionen, Innovationen und politische Gestaltung einzusetzen, die – wenn schon nicht mehr vorausschauend – so doch klar den Ernst der Lage anerkennt. Es sieht besonders dann nicht gut aus, wenn sie sich dabei auf großkoalitionäre Regierungsverantwortliche verlassen können, die so sehr in ihrer Welt des Weiter so gefangen sind, dass sie den riesigen Raum des politisch Möglichen, der – würde man nur etwas suchen – eine reiche Mischung an Regeln, Investitionen, Markteingriffen, gescheiter Verteilungspolitik und makroökonomischem Sachverstand enthält, in ihrem Klimaschutzpäckchen stattdessen in profitverträgliche Maßnähmchen parzellieren, die weit weit weit hinter dem Parisabkommen zurückbleiben.

Volker Quaschning (Professor für Regenerative Energiesysteme) liefert in 15 Minuten einen gelungenen Bezugsrahmen, um genau diese verantwortungsflüchtige Parzellierung im Klimaschutzpäckchen erkennen zu lassen, empfehlens- und verbreitenswert:

“Warum ist das Klimaschutzpaket zum Kotzen?” (Video auf dem YouTube Kanal von Volker Quaschning, 27.9.2019)

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Internationaler Gerichtshof: UK muss Chagos-Archipel an Mauritius und die deportierte Bevölkerung zurückgeben

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Kolonialmacht Mitte der 1960er Jahre. Es sind Verhältnisse entstanden, in denen Sie von Ihren bisherigen imperialen Ansprüchen ablassen müssen. Die unterdrückten Länder haben sich erhoben, die Charta der UN steht ihnen entgegen und nun schaffen auch noch Resolutionen der Generalversammlung selbiger UN Völkergewohnheitsrecht in diesen Fragen,  so dass sich einiges gegen ihre lieb gewonnene Rolle als Kolonialherr richtet. Kurz: Es ist eine Welt entstanden, in der auch rohe Gewalt nicht mehr Erfolg dabei verspricht, dass Sie die “Besitzungen” einfach so behalten können. Sie stehen also kurz davor, die verbliebenen Länder und ihre Menschen in die rechtliche Unabhängigkeit zu entlassen. Eines dieser Territorien liegt nun jedoch zentral im Indischen Ozean und ihr bester Freund möchte es unbedingt nutzen, um darauf eine große Militärbasis zu errichten.

Was tun Sie also? Sie spalten das Territorium ab von der Kolonie, zu der es bisher rechtmäßig gehörte, kurz bevor diese unabhängig wird, entgegen wegweisender UN-Resolutionen, und vehementer Proteste der Betroffenen. Das Territorium belassen Sie dann in ihrem Besitz. Das Problem jedoch ist, dass rund 1500 Menschen auf der Inselgruppe wohnen. Und diese stehen Ihnen in vielfacher Hinsicht bei Ihrem Vorhaben im Wege und wollen auch nicht aus ihrem zu Hause weichen. Was tun Sie? Genau, Sie zwangsdeportieren diese Menschen und verbieten ihnen, jemals wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Weiterlesen

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EUSFTA- & EUSIPA-Abstimmung: EU-Parlament “empowert” Konzerne

Und wieder ist es passiert: Das Europäische Parlament hat den Einfluss der Konzerne zu Lasten des Einflusses der Staaten ausgebaut. Heute hatte es sowohl über das Handelsabkommen (EUSFTA), als auch über das Investitionsabkommen (EUSIPA) mit Singapur abzustimmen. Sowohl dem einen, wie dem anderen, hat es zugestimmt. Somit wird mit Ersterem nicht nur ein Aussschusssystem etabliert werden, das die Bestimmungen aus dem genannten Handelsabkommen jenseits parlamentarischer Zustimmung fortan auslegen und weiterentwickeln wird (“living agreement”) und sich als neue Super-Schnittstelle für Lobbygruppen etabliert (detaillierte Kritik siehe z.B. hier), mit dem Investitionsabkommen wird – genauso wie bei CETA – ein öffentliches Investitionsgerichtesystem (“Investment Court System”, ICS) installiert werden, in dem Konzerne gegen Staaten klagen können, wenn sie sich um die (erwarteten) Früchte ihrer Investitionen durch Gesetze oder andere Staatshandlungen beschnitten sehen. Ebenso wie bei den privaten Schiedsgerichten, die so sehr auf Widerstand gestoßen waren, dass man das ursprüngliche Konzept überarbeitet und umbenannt hat, weiterhin ein Klagesystem jedoch exklusiv für Investoren, außerhalb der üblichen Gerichtsbarkeit. Weiterlesen

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“Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!” – Initiative zur Abreise aus einem verrechtlichten Absurdistan

Irgendwie steht da was auf dem Kopf: Werden Mindestlöhne erhöht oder Ölförderlizenzen aufgrund von Rechtsbruch entzogen, müssen arme Staaten teils Milliardenbeträge an die sie verklagenden Konzerne zahlen (Stichworte: “Investitionsschutz”, “indirekte Enteignung” etc.). Vergiften Konzerne hingegen die Flüsse der Menschen beim Rohstoffabbau oder begraben ihre Dörfer unter Erdmassen durch Steinabbruch, werden die Opfer schlicht ignoriert.
Was unter dem Begriff der “Globalisierung” teils herbeigestaltet wurde, gleicht nicht selten dem, was man bei genauerem Hinsehen als Tyrannei bezeichnen müsste: Konzerne werden mit umfangreichen, privatisierten Rechten ausgestattet, die ihre Investitionen vor den Risiken und Zumutungen des Gemeinwesens “schützen” sollen. Menschenrechte einzuhalten, möchte man ihnen hingegen in den betroffenen Ländern nicht “zumuten”. Bloß keine Abkommen, die hier irgendetwas mit Sanktionen belegen! So setzt sich auch die Bundesregierung einerseits für Investitionsabkommen mit Sonderrechten im Sinne der Konzerne ein, während sie andererseits ein UN-Abkommen blockiert, das die Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne auf internationaler Ebene beenden soll.

Attac und über 150 weitere europäische Organisationen, Gewerkschaften und soziale Bewegungen versuchen, diese Logik der Tyrannei in ihr menschlich nachvollziehbares Gegenteil zu verkehren und wenden sich daher an alle, die verrechtlichtes Unrecht noch lange nicht für gerecht halten:
“Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!”

(Informationsmaterial und Hintergründe auch auf der Kampagnenseite von attac).

Nachtrag (25.1.):

Eine aktuelle Arte-Dokumentation beleuchtet das System der sog. ISDS, empfehlenswert, besonders da auch die Investoren ihre Sichtweisen darlegen: Die Macht der Konzerne (arte-Dokumentation von 2018)