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Die demokratieferne Krisenpolitik: DiEM25 startet Petition zur Offenlegung des Rechtsgutachtens zur Rolle der EZB

Demokratie spielt eine eher untergeordnete Rolle in der Eurozone, ebenso wie Transparenz oder auch Faktizität, das haben die Ereignisse im Zuge der Eurokrise überaus deutlich gemacht. Es kam ein erstaunliches Maß an Propaganda zum Einsatz, um den aufkommenden Widerstand gegen eine sozial verheerende Politik (Stichworte: Austerität und Troika) abzuwehren, eine Politik, die sich als neoliberale “Lösung” auf virulent gewordene neoliberale Probleme verstand und bis heute versteht. Auch wir hatten uns an unterschiedlichen Stellen mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die Eurozonenkonstruktion gekennzeichnet ist durch einen fatalen Standortwettbewerb mit seinen fehlenden Wechselkursventilen bei zugleich fehlenden Ausgleichsmechanismen, sowie durch Staatssektoren, denen durch das Maastricht-Korsett und die EZB-Ideologie die Hände gebunden sind. Im Zuge der Eurokrise drohte die Eurozone unter dem (politisch gewollten) “Diktat der Finanzmärkte” dann zu zerbrechen, wurde jedoch durch Notmechanismen, die ihre grundlegenden Konstruktionsfehler nicht beseitigten (dies hätte schließlich allerlei ideologische Entrümpelung erfordert), doch noch zusammengehalten. Vorübergehend, muss man sagen. Große Teile der abhängig Beschäftigten und sozial Benachteiligten dürfen die Krise und ihre auf Verzögerung ausgerichteten Maßnahmen seitdem in Form von gesteigerter Armut, Ausgrenzung und Massenarbeitslosigkeit begleichen. Weiterlesen

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“Was ist los in Europa?” – Video zur Veranstaltung mit Heiner Flassbeck und Matthias Lücke vom 12.1.

Am 12.1. veranstaltete attac Kiel zusammen mit der Kieler Hochschulgruppe Plurale Ökonomie an der Christian-Albrechts-Universität eine Podiumsdiskussion zwischen Prof. Heiner Flassbeck (ehem. UNCTAD, Herausgeber Makroskop) und Prof. Matthias Lücke (Institut für Weltwirtschaft) unter dem Titel “Was ist los in Europa?”. Es sollten die aktuellen Entwicklungen und Probleme eines Europas, das einst für Frieden, Freiheit und Wohlstand stehen sollte, unter sozialen und wirtschaftlichen Aspekten diskutiert werden.

Die beiden Podiumsgäste lieferten ihre jeweilige Problemanalyse, wobei Heiner Flassbeck mit einer makroökonomischen Perspektive eröffnete, die in gewohnter Weise eine ganze Reihe etablierter ökonomischer Erzählungen mit der beobachtbaren Welt konfrontierte und dabei kritisch auch die Rolle von Machtverhältnissen beleuchtete. Die Wechselwirkung zum zweiten Podiumsgast, Prof. Lücke, der u.a. über den europäischen Binnenmarkt und das Vertragswerk referierte, konnte für interessierte Teilnehmer*innen, die sich überdies vielleicht bereits mit den Darstellungen von Flassbeck beschäftigt haben, deutlich machen, wie sehr doch eine empirisch ausgerichtete Analyse im etablierten Denken auf Ausweichungen und wenig Freude an Argumenten zu stoßen scheint. Ein bemerkenswerter Vorgang, der kein gutes Zeichen für die weitere Entwicklung aussendet, jedoch vielleicht dazu motiviert, mit derartigen Diskussionsveranstaltungen mindestens Nachdenklichkeit in der Öffentlichkeit zu fördern (Flassbeck ab Min. 6:20, Lücke ab Min. 39:45):

(Moderation: Prof. Dr. Roswitha Pioch (FH Kiel), Quelle: YouTube-Kanal von Maskenfall)

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Glenn Greenwald zu Trump als Höhepunkt der “War on Terror”-Mentalität

Präsident Trump lässt in seinen Maßnahmen bislang bekanntlich keine Zurückhaltung dabei walten, mit jenem Bild zu brechen, das die USA als “Führer der freien Welt” lange Zeit über sich selbst vermitteln konnten. Es hat v.a. den westlichen Eliten genügend Stoff für die Selbsterhöhung in Form des “fortschrittlichen Westens” geboten, der sich dann im Namen von “Freiheit und Demokratie” über den Rest der Welt erheben durfte (eine Machtpolitik in liberal glänzender Verpackung). Der hegemoniale Wirtschaftsliberalismus made in USA and Europe mochte noch so viel Armut, Ausgrenzung und Leid aktiv hervorbringen oder auch durch Unterlassung konservieren, er kam in einem hinreichend abstrakten Kostüm daher, dass relevanter Widerstand besonders im Inland ausblieb. Seine Abgase jedoch haben das Phänomen Trump erst ermöglicht, schließlich waren es die vom Establishment Entrückten, die durch Fernbleiben von der Urne oder die eben durch ihre Stimme für den selbsternannten Anti-Establishment-Wüterich die Wahl entschieden haben. Mit den sehr direkten Ausgrenzungsmaßnahmen, die Trump nun mit Mauer und Einreiseverboten austeilt, um sich gar nicht erst um eine liberale Erzählung zu bemühen,  formiert sich jedoch ein breiter Widerstand, da eben auch große Teile der Etablierten zu selbigem aufrufen. Wer hierbei um die geopolitische Rücksichtslosigkeit einer Madelaine Albright oder eines John McCain weiß, kann nur darauf hoffen, dass am Ende des Tages Trump nicht jene Schock-Therapie gewesen sein wird, die das alte Establishment reinwaschen wird von der Vorgeschichte einer neoliberalen Weltordnung, in der Angst, Wut und sozialer Zerfall aus den höchsten politischen Etagen heraus seit langen Jahrzehnten unter falschen Erzählungen fabriziert wurden.

Glenn Greenwald erinnert in einem Artikel zu den jüngsten Einreiseverboten gegenüber Menschen aus (bemerkenswert ausgewählten) vorwiegend muslimischen Ländern an das, was erst den Acker geschaffen hat, auf den der Trumpismus auch auf diesem Feld gedeihen konnte:

“Trump’s Muslim Ban Is Culmination of War on Terror Mentality but Still Uniquely Shameful”

Übersetzter Auszug: Weiterlesen

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Ungleichheit und Politik gegen Benachteiligte – der Mosaikstein “Erwerbsminderungsrente”

Armut und Ungleichheit nehmen zu in den Industrieländern, besonders auch auf der „Insel der Glückseligen“, das ist kein Geheimnis mehr. 82% der deutschen Bevölkerung stimmen mittlerweile zu, dass die soziale Ungleichheit hierzulande zu groß ist. Auch die Ursachen sind kein Geheimnis, bedenkt man, wie gerade im Zuge der “Reformen” ab Anfang der 2000er Jahre die Ungleichheitsmaße nach oben gingen und die Einkommensverteilung in erheblicher Weise schiefer wurde. Was den besonders Betroffenen u.a. fehlt ist eine politische Lobby, die einem politischen Apparat, der personell und ideologisch mit den Interessen der Großunternehmer und Reichen verschmolzen ist, etwas entgegensetzt. Erst in der jüngsten demokratiebezogenen Teilstudie im Rahmen des kommenden 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung kommen die extern beauftragten Autoren zu dem Ergebnis: Weiterlesen

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“Manufacturing Discontent” – Eine Analyse zur TTIP-ablehnenden Bewegung legt nahe, wie das mit der demokratischen Teilhabe nicht gemeint war

Sie ist vorbei, die Ruhe im Karton, die über Jahrzehnte der neoliberalen Globalisierung hinweg in den Industrieländern geherrscht hat. Die Erzählung des “wir machen das schon”, die aus den oberen Etagen der Systemverwaltung herausdrang, verfängt nicht mehr so ohne Weiteres. Hierzulande, wo mit Agenda 2010 und der krisenpolitisch beauftragten schwäbischen Hausfrau, die nun in ganz Europa ihr Unwesen treiben darf, das neoliberale Dogma noch einmal so richtig durchgesetzt werden konnte, hat der kräftige Widerstand in Sachen TTIP und entdemokratisierendem Freihandel jedoch offenbar die Eliten aus Politik und Wirtschaft einigermaßen entgeistert.

Das belegt nun noch einmal eine jüngst veröffentlichte Studie des wirtschaftsliberalen European Center For International Political Economy (ECIPE), dessen Arbeit sich als (uncharmant gemeinter) Rückblick zum erfolgreichen Widerstand gegen das angedachte Großprojekt in Sachen Freihandel lesen lässt. Weiterlesen

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Christoph Butterwegge: “Beweggründe für meine Bewerbung um das Bundespräsidentenamt”

Das beste Mittel gegen Rechtspopulismus?
Klare und wahre Worte, die aufzeigen, dass nicht “Alternativlosigkeit” und “Sachzwang” regieren. Ein Wertefundament, das sich durch Beständigkeit und Aufrichtigkeit auszeichnet und nicht durch die Falscherzählung über vermeintlichen “Pragmatismus” und “Realismus”, mit dem tatsächlich nur die (ökonomischen) Werte und Interessen der oberen Prozente im Land verfolgt werden. Eine Haltung, die deutlich macht, dass der richtige und wichtige Anspruch gesellschaftlicher Inklusion eben nicht von tiefgreifenden und rücksichtslosen Programmen der Exklusion diskreditiert werden darf…

Zitat Christoph Butterwegge: Weiterlesen

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Jens Berger zur “linksliberalen Lila-Launebär-Welt”

Große Teile der ihrem Selbstverständnis nach “linken” Seite des politischen Spektrums offenbaren in ihrer Reaktion auf den Erfolg der Donald Trumps dieser Welt geradezu erstaunliche Abwehrmechanismen, wie sich aktuell beobachten lässt. Trump ist Realität, ebenso wie die rechten Entwicklungen in weiten Teilen Europas. Anstatt jedoch noch einmal genauer darauf zu schauen, inwieweit sich der Anspruch gesellschaftsliberaler Inklusion bunter Identitäten mit einem zugleich betriebenen (einnere hierzulande etwa Rot-Grün und die Agenda 2010) dogmatisch wirtschaftsliberalen Kurs der Exklusion wachsender Bevölkerungsteile vertragen kann, wird die Ursachensuche für den allgemeinen Trump-Effekt einfach aufgegeben, um über die (vielfältigen Gruppen) der reaktionär Enthemmten dieser Welt zu schimpfen und umso besessener um das Stammesfeuer der moralisch Überlegenen zu tanzen.

Wieder verweise ich auf einen Artikel von Jens Berger, der einmal mehr treffende Worte zu den Entwicklungen gefunden hat:

“Populisten und dumme Wähler? Ihr habt nichts, aber auch rein gar nichts, verstanden” (NDS, 15.11.2016) Weiterlesen

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Trump: Lernresistenz trotz “Zeitenwende”?

“Während der letzten Wochen gab es eine Flutwelle von Angriffen des Establishments auf Donald Trump. Mittlerweile ist es nicht mehr nur leicht dies zu tun, sondern nahezu verpflichtend. Doch sehr wenige dieser Angriffe enthalten irgendeine tatsächliche Untersuchung dessen, was seine Popularität und seine Anziehungskraft ausmacht: warum die Botschaft, die aus Verachtung für das Establishment besteht, so starke Resonanz findet, warum die Angst- und Wutlevel so hoch sind, dass der Boden für die zornige Machthaberfigur, die er repräsentiert, so fruchtbar ist. Dies liegt daran, dass die Antwort auf diese Frage das erfordern würde, was die Wächter der U.S. Machtverhältnisse am meisten fürchten und hassen: Die Auseinandersetzung mit sich selbst.”

(Glenn Greewald im März 2016, Donald Trump’s Policies Are Not Anathema to U.S. Mainstream, but an Uncomfortable Reflection of It, The Intercept, Übers. Maskenfall)

…und diese Auseinandersetzung mit sich selbst, wäre dabei doch auch in den europäischen Führungsetagen dringender denn je, wie Jens Berger in seinem lesenswerten Kommentar zur US-Wahl anmahnt:

“Präsident Trump – wir sind Zeugen einer Zeitenwende” (NDS, 9.11.2016)

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Makroskop: “>>NAIRU<< – ein irreführendes Konzept besonders in Krisenzeiten"

Wussten Sie schon? Europa hat “NAIRU”, und zwar jede Menge. Das ist eine unangenehme Krankheit, da ihre Erfinder den Betroffenen bittere Medizin verschreiben, die die Symptomatik noch verschlimmert. Seit einigen Jahren ist dieser Zustand leider besonders akut geworden. Einen kleinen Einblick in die Krankheit, die Diagnoseinstrumente und die Heilungsaussichten hatte ich in einem kürzlichen Makroskop-Artikel getätigt, der nun für einige Tage frei zugänglich ist:

“>>NAIRU<< – ein irreführendes Konzept besonders in Krisenzeiten” (Makroskop, 11.10.2016)

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Rechtspopulismus und “Terrorabwehr” im progressiven Vakuum – die Erkenntnisresistenz geht weiter

Es ist wirklich eine ungünstige Zeit dafür, dass konservatives Denken Europa fest im Griff hat. Und das hat es, sehr fest sogar, so fest, dass die meisten Menschen es nicht bemerken, sie wissen nämlich nicht mehr, wie ein progressives Pendant in ökonomischen, innen- und außenpolitischen Angelegenheiten aussähe. Zudem ist auf der dicken, verkrusteten Schicht von Überwachungs-, Konkurrenz- und Militarisierungsstaat eine glitzernde Schicht moderner Dienstleistungen, technischer Möglichkeiten und partieller Gleichberechtigungsentwicklungen aufgetragen. Frauen, Homosexuelle, ethnische Minderheiten… hier gab es tatsächlich deutlich progressive Entwicklungen, die jedoch zugleich die politische und gesellschaftliche Ausrichtung in Hinblick auf die identitätsfernen Themen, die klassischen Systemfragen, weitgehend verdeckt haben. Weiterlesen