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Imperialistische Dystopie und kreative Gegenenergie

Denken wir an die 16 deutschen Auslandseinsätze aktuell, an die rund 2700 Soldatinnen und Soldaten, die sich über große Abschnitte der von europäischen Geostrategen angestrebten „Grand Area“ verteilen, denken wir an die Umsturzhilfe in der Ukraine, an die deutschen Waffenexporte an brutale Diktaturen, die zu den großzügigsten Förderern von Terrorismus zählen, und denken wir daran, dass dieser Terrorismus dann wiederum unter Beihilfe deutscher Tornados weiter weggebombt werden soll – als wären die letzten 14 Jahre Bombardierungen und „regime change“ durch „die Verbündeten“ nicht gerade erst mit dem Aufbau von Terrorismus weltweit einhergegangen.

Denken wir jedoch auch an außenpolitische Elitenpapiere, die „Klimawandel, demografische Entwicklung, unkontrollierte Migrationsströme, Armut und soziale Ungleichheit, ethnisch-religiöse Spannungen und [den] zunehmende[n] Wettbewerb zwischen immer mehr Akteuren um knapper werdende Ressourcen, Nahrungsmittel und Zugang zu Handelswegen und Technologien“ zu einem Risikoklumpen vermengen, dem verstärkt durch militärische Gewalt begegnet werden soll…

Ja, deutsche Eliten mit ihren „europäischen Partnern“ haben viel vor, spricht man hier doch mittlerweile unverblümt von „europäische[r] Hebelkraft für Deutschlands globale Ordnungsideen“.1 Hier braucht es natürlich diejenigen, die diese Ideen in materielle Tatsachen überführen und dabei ihr Leben riskieren. So wundert es nicht, wenn die Bundeswehr als Institution, die doch einst eigentlich zur Territorialverteidigung gedacht gewesen sein soll(?), nun kräftig Karrierephantasien verbreitet, um die widerspenstige Jugend davon zu überzeugen, wie sinnerfüllt („Mach, was wirklich zählt“) sie hier doch ihr Leben verbringen (oder eben lassen) kann.

Diese Entwicklungen verwundern nicht, doch empören sie. Besonders, wenn sie immer selbstverständlicher auch von solchen Seiten unterstützt werden, die einst für etwas anderes standen. So hat auch die pseudolinke taz wieder einmal ihre olivgrüne Gesinnung demonstriert, indem sie derartige Bundeswehrwerbung mit der Begründung abdruckte, dass diese ja weder „sexistisch“, noch „rassistisch“ sei. Ja, so ist sie, die schöne neue Welt aus hippem Lifestyle, Öko-Interventionsmus und liberaler Oberfläche. Einst fortschrittliches Gedankengut wird auf geradezu groteske Weise entkernt, um damit großes Illusionstheater aufzuführen, während die Geschehnisse hinter der Bühne kräftig imperialistisch vor sich gehen.

Doch denken wir auch daran, dass der Dystopie, in der wir uns befinden, von immer mehr engagierten Menschen etwas entgegengesetzt wird. Zu diesen zählt auch die Gruppe PENG! – pardon, das „Kollektiv“ – das kreative Gegenwerbung zur Bundeswehr betreibt, um sich jenem entgegenzustellen, was eines der Mitglieder auf diese Weise ausdrückt:

Themen wie ‘Tod’ und ‘Krieg’ werden ganz bewusst von der Kampagne ausgelassen. Ausgerechnet heutzutage, wo das bei der Bundeswehr aktueller denn je ist. Es war uns wichtig, auch die andere Seite dieser aufpolierten Kampagne sichtbar zu machen.“

Für einen Bericht dazu, siehe:

„Peng! entert Bundeswehr-Werbung“ (jetzt.de, 23.11.2015)

Für die informative und gut recherchierte Seite, die u.a. über rechtsextremes Gedankengut in der Institution, Folgeschäden von Militäreinsätzen und machtpolitische Hintergründe des Einsatzes der Bundeswehr aufklärt, siehe:

machwaszaehlt.de

Wer sich über weitere gesellschaftspolitische Projekte von PENG! informieren will, kann dies hier tun.

Schön sind sie nicht die Zeiten, doch immerhin ist Kreativität nicht nur auf Seiten der machtversessenen Konstruteure der Dystopie zu beobachten.

 

  1. Zu unserer Auseinandersetzung mit dem Papier “Neue Macht – Neue Verantwortung siehe erneut hier. []

Jascha Jaworski

3 Kommentare

  1. Und dann wird man sich in den Medien über den islamistischen Terror wieder erregen.
    Sind diese Einsätze kein Terror gegen die Zivilbevölkerung? Von den Drohneneinsätzen mit hunderten unschuldiger zivilen Opfern ganz zu schweigen.

  2. Was mich besonders ankotzt: wo ist die deutsche Friedensbewegung, etwa eine DFG-VK, heute. Diese fällt insbesondere durch das Betreiben eines “politischen Geschäftsführers” Monty Schädel besonders dadurch auf, dass sie jegliche friedenspolitisch aktive Bewegung durch Querfrontvorwürfe und Bedenkenstiftung hintertreibt. Daraus muss man, wenn man irgendwie aktiv werden will, seine Konsequenzen ziehen.
    Andere antipazifistische Kräfte wie Jutta Ditfurth und ihr “friedensdemowatch”, die genau das selbe Geschäft betreiben, sind zum Glück völlig durchsichtig in ihrer Hetze und kranken Denke.

  3. Es ist sehr schade, dass eine Friedensbewegung hierzulande nicht zusammenfindet. Von den Montagsmahnwachen, die bei Teilen der ‘klassischen’ Linken große Abwehrreflexe und schwere Anklagen hervorgerufen haben, hatte das Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin damals eine kleine Erhebung zu den Einstellungen der Teilnehmer*innen unternommen (Mai 2015):
    https://protestinstitut.files.wordpress.com/2014/06/occupy-frieden_befragung-montagsmahnwachen_protestinstitut-eu1.pdf
    Die Diffusität im Spektrum macht deutlich, wie leicht hier Abgrenzungsimpulse nutzbar gemacht werden können, da natürlich auch von sehr rechter Seite aus versucht wurde, Einfluss über die Bewegung zu gewinnen (und damit das auszuschöpfen, was teils bereits in den Köpfen war). Wenn dann leichtfertigen und angsterzeugenden Labeln wie “Querfront” wiederum mit verbaler Aufrüstung auf der Seite der Angeklagten begegnet wird, führt das natürlich nur zu noch mehr Chaos.

    Für die Teilnehmer*innen, die an der o.g. Befragung damals teilgenommen hatten, kamen die Autor*innen zu folgender Einschätzung:
    “Insgesamt bleibt somit der Eindruck einer doppelten Ambivalenz. Dies betrifft die Gleichzeitigkeit einer Kritik von links und rechts und die deutlichen Anzeichen einer politischen Entfremdung gegenüber dem bestehenden System. Diese äußert sich, bei einer durchgängig hohen Wertschätzung der Idee der Demokratie, in einem nahezu totalen Misstrauen gegenüber etablierten politischen Institutionen, Medien und gesellschaftlichen Großorganisationen und einer deutlichen Kritik an der Selbstbezogenheit der politischen Klasse. Insofern sind die Demonstrierenden Ausdruck dessen, was in der Politikwissenschaft als Postdemokratie bezeichnet wurde. Sie vertreten ein Aufbegehren gegen die erlebte Entleerung der Demokratie, die für viele nur mehr als Hülle und Symbol zu bestehen scheint.
    Gleichzeitig ist das Aufbegehren aber diffus und in weiten Teilen apolitisch. Es verbleibt bei einem ultraliberalen Nebeneinander verschiedener, z.T. widersprüchlicher Anliegen.”

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