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No 239

“Ein wichtiger Bestandteil der ideologischen Fabrikation der >>Alternativlosigkeit<<, die den politischen Eliten freie Hand für neoliberale Reformen gegeben hat, war ein ideologisches Konstrukt namens >>Unterschicht<<, das soziale Probleme und Arbeitslosigkeit aus dem Feld der Politik entfernte und in den charakterlichen Defiziten dieser Bevölkerungsgruppe verortete.
Amerikanische progressives, die den neoliberalen Konsens in den Grundzügen übernommen haben und sich vor allem über ihre Fortschrittlichkeit in social issues (multikulturelle Toleranz, gay rights, zahme Formen des Feminismus…) von ihrem politischen Gegner abgrenzen, haben den konservativen Unterschichtsdiskurs in den Grundzügen mitgetragen. Darüber hinaus haben sie eine eigene Version dieses Phantasmas einer fremdartigen Bevölkerungsgruppe, das sich aus gleichen Teilen aus Angst und Verachtung zusammensetzt.
Während sich alle gemeinsam an gruseligen Geschichten über den Zusammenbruch der Zivilisation in den Innenstädten (d.h.: den Ghettos der Schwarzen) ergötzen, haben liberals anhand der weißen Unterschicht eine weitere Option für gesellschaftspolitische Pornographie. Von Westboro Baptist Church bis Sarah Palin kann man sich guten Gewissens seiner Verachtung hingeben, da man erstens auf der richtigen Seite steht und zweitens die Leute, um die es geht, die Rednecks und Kreationisten, der ignorante, stockkonservative White Trash, wahrlich keine Sympathieträger sind.”

(Johannes Simon, Gesellschaftskritiker und Studierender der Philosophie und Nordamerikastudien – Wenn das Volk zum Problem wird – Liberalismus als Ideologie der Eliten [1], le Bohémien, 2.11.2015)