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No 244

“In der sozialen Sphäre haben die Ökonomisierung des Sozialen und die Statusunsicherheit mit den verschiedenen Desintegrationsängsten und -erfahrungen eine Kernrelevanz für die steigenden Abwertungen der als >>Nutzlose<< und >>Ineffiziente<< deklarierten Gruppen, also von Hartz-IV-Empfängern und Langzeitarbeitslosen. […]
In der politischen Sphäre gibt es mit der Wahrnehmung einer Demokratieentleerung, also von Vertrauensverlusten und einem Gefühl der Machtlosigkeit, ernste Warnsignale, da die Anfälligkeit für rechtspopulistische Mobilisierungen auffällig ist.
In der ökonomischen Sphäre scheint weiterhin eine Mentalität vorzuherrschen, die von der grundgesetzlichen Maxime, laut der Eigentum verpflichtet (etwa zur Verhinderung sozialer Desintegration), wenig wissen will. So diagnostizierte Rainer Geißler (2010, 11) eine sozialstrukturelle >>Polarisierung zwischen Armen und Reichen bei schrumpfender Mitte<< und eine höhere Anzahl von Abstiegen unter den Angehörigen der sogenannten >>Mittelschicht<<. Diese objektive Entwicklung nehmen die Menschen subjektiv auch auf hohem Niveau wahr, gleichzeitig setzt das Öffnen der Schere allerdings offensichtlich auch polarisierende Einstellungen frei. So glauben 2011 im Vergleich zu 2006 signifikant mehr Befragte mit höheren Einkommen, denen, die an ihrer Not eine Mitschuld tragen, solle nicht geholfen werden. […]
Die geballte Wucht, mit der die Eliten einen rabiaten Klassenkampf von oben inszenieren, und die Transmission der sozialen Kälte durch eine rohe Bürgerlichkeit, die sich selbst in der Opferrolle wähnt und deshalb schwache Gruppen ostentativ abwertet, zeigen, daß eine gewaltförmige Desintegration auch in dieser Gesellschaft nicht unwahrscheinlich ist.”

(Wilhelm Heitmeyer, Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld – Deutsche Zustände – Folge 10, 2012)

Jascha Jaworski

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