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Der Anti-Blair: Jeremy Corbyn kommentiert Irak-Bericht im Unterhaus

Nachdem der Putschversuch der Labour Abgeordneten gegen Jeremy Corbyn vorerst gescheitert ist und innerhalb der letzten zwei Wochen noch einmal mehr als 100 000 Personen der Labour Partei beigetreten sind, fand der Parteichef die Gelegenheit, die veröffentlichten Ergebnisse des Untersuchungsberichts zum Irak-Krieg (Chilcot report) zu kommentieren und damit quasi als Anti-Blair mit diesem dunklen Kapitel der Partei etwas aufzuräumen.
Es ist einer jener seltenen Momente, in denen im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und aus einer nicht marginalisierten Position heraus solche Worte gesprochen werden, die eine aufrichtige Beschreibung der Welt nicht auf dem Altar machterhaltender Leiterzählungen opfern:

“Herr Vorsitzender, die Entscheidung im März 2003 in den Irak einzumarschieren und ihn zu besetzen, war die schwerwiegendste außenpolitische Entscheidung, die durch eine britische Regierung in jüngerer Zeit getroffen wurde. […] Offen gesagt, war es ein Akt militärischer Aggression, der unter falschem Vorwand gestartet wurde […] Er führte zum Tod von hunderttausenden Menschen und zur Vertreibung von Millionen Flüchtlingen. Er verwüstete die irakische Infrastruktur und Gesellschaft. Die Besatzung beförderte ein tödliches Sektierertum – wie der Bericht aufzeigt – das in einen Bürgerkrieg mündete. Anstatt die Sicherheit zu Hause oder im Ausland herzustellen, schürte und verbreitete der Krieg Terrorismus quer durch die Region.”1


(“Jeremy Corbyn – Response to the Chilcot Inquiry report”, Official Jeremy Corbyn Channel, YouTube, 6. Juli 2016)

Die Bevölkerung in UK, die den Irak-Krieg damals mit überwältigender Mehrheit ablehnte und zu Hunderttausenden gegen den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Straße ging, dürfte Corbyn wohl in weiten Teilen der Rede zugestimmt haben. Die Abgeordneten auf beiden Seiten des Parlaments, die nicht nur glühende Anhänger des kriegerischen Interventionismus sind, sondern von denen auch so einige damals bereits im Parlament saßen und dem Unterfangen ihre Stimme gaben, waren spürbar weniger angetan, doch stand ihnen diesmal kein Nebelwerfer zur Verfügung, der – wie in den meisten anderen Fällen – die Normativität auf die Seite der etablierten Macht schlägt.

 

  1. Übers. Maskenfall, Original: “Mr Speaker, the decision to invade and occupy Iraq in March 2003 was the most significant foreign policy decision taken by a british government in modern times. […] Frankly, it was an act of military aggression launched on a false pretext […] It led to the death of hundreds of thousands of people and the displacement of millions of refugees. It devastated Iraq’s infrastructure and society. The occupation fostered a lethal sectarianism – as the report indicates – that turned into a civil war. Instead of protecting security at home or abroad the war fueled and spread terrorism across the region.” []

Jascha Jaworski

3 Kommentare

  1. Wow, welch offene und muitge Worte eines maßgebenden europäischen Politikers! Danke für den Hinweis auf diese Rede!
    Ich wünsche mir, dass auch die angekündigten Taten folgen werden.
    Wo sind in Deutschland Politiker mit einem solchen Format zu finden?

  2. Corbyn hat frischen Wind in die politische Landschaft gebracht, es ist nur zu hoffen, dass der Putsch der Blair-Fraktion gegen ihn scheitert.
    Zu ihrer Frage Herr Lauhöfer habe ich eine Antwort parat. Es ist Sarah Wagenknecht von der Partei Die Linke! Sie hat in eindrucksvoller Weise, wie in Maskenfall 263 sehr schön dargestellt, Frau Merkel und den Kriegstreibern eindeutig Paroli geboten.

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