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TTIP-Widerstand-Widerstand: ZAPP macht INSM-Bock zum kuriosen Gärtner

Es ist mal wieder soweit, ZAPP enthüllt sein eigenwilliges Verständnis von “kritisch sein”, dem offenbar zugrunde liegt, dass nur kritisch ist, wer alle Seiten mal in einem schlechten Licht darstellt, egal von wem dieses Licht geworfen wird und ob es wirklich angemessen ist. In einem kürzlichen Beitrag einige Tage nach den jüngsten Demonstrationen gegen TTIP, CETA und TiSA platziert ZAPP dem erfolgreichen Widerstand gegen die Handelsabkommen gegenüber den Vorwurf, dass es sich um “professionelle Kampagnenorganisationen” handelt, die “vor allem auf Emotionen setzen” und “einfache Befürchtungen bedienen”. Man stutzt sogar darüber, dass über die mehreren hunderttausend Demonstrierenden in sieben Städten als Aufmacher in der Tagesschau berichtet wurde.

Dazu das ZAPP-Video: “Kampf gegen TTIP: Mit Chlorhuhn zum Sieg” (20.9.2016)

Der ZAPP-Beitrag wird jedoch zur Realsatire, indem er den TTIP-Gegner*innen nicht bloß Emotionalität vorwirft, sondern dabei zugleich gerade die INSM als Hauptzeugen auftreten lässt, der dann berichten darf, dass die Industrie eben auf “Verstand und Vernunft” setzt und daher dem TTIP-Widerstand unterliegt. (Anmerkung: Was allein die Wachstums- und Beschäftigungsversprechen, und die ihnen zugrunde liegenden phantasievollen bis grob irreführenden Modellrechnungen mit “Vernunft” zu tun haben, hatten wir an anderer Stelle behandelt.)

Doch zur Erinnerung: Es war die INSM, die mit Millionenfördergeldern aus der Industrie und professionellen PR-Agenturen Angst vor dem Untergang durch “demographischen Wandel”, “internationalen Wettbewerb” und “Staatsschulden” verbreitete und noch bis heute verbreitet, um den Leuten beizubringen, dass nur ein “schlanker Staat” (meint Sozialstaat) ein guter Staat ist, und dass die gesetzliche Rente dringend abgebaut werden muss, um in Sachen Lebensabend verstärkt auf den Finanzmarkt zu setzen. Hierzu bediente sie sich so “vernünftiger Argumente” wie Schleichpropaganda im Marienhof oder unerkannter “Mietmäuler” in Deutschlands Talkshows.

Übrigens, vor einigen Jahren wusste ZAPP das selbst noch, da galt die INSM in einem der besonders empfehlenswerten Beiträge von ZAPP nämlich noch als, Zitat: “neoliberale Arbeitgeberorganisation”, siehe dazu z.B. hier.

Aber das scheint nun weniger wichtig, wenn es darum geht, hier auch die Gegenmeinung zu verbreiten, nicht weil sie überschwänglich groß oder gut begründet ist, wohl aber, weil es nicht zum guten Ton gehört, die wirklich Einflussreichen bei einem neoliberalen Großvorhaben ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Merke: Wer sich gegen Industrieinteressen hierzulande durchzusetzen scheint, anstatt sich mit der Rolle des phantasievolle aber wirkungslose Demos organisierenden Pluralitätskaspers zufrieden zu geben, der oder die kann ja gar nicht legitime Interessen der Bürgerinnen und Bürger transportieren. Wo kämen wir hin, wenn die öffentliche Meinung sich mal in einem Punkt grundlegend gegen den forcierten Zeitgeist durchsetzen würde?

Jascha Jaworski

3 Kommentare

  1. Lesenswert!
    Mini-Kritik: die Konstruktion “schlanker Staat” (Sozialstaat) hat mich stutzen lassen. Seit wann ist denn der Sozialstaat “schlank” ?. Entweder man versteht die Metapher ohnehin oder die Ergänzung ist missverständlich/wenig hilfreich.

    • Kritik sehe ich immer gern, da gegenseitiges auf-die-Schulter-Klopfen und Dauernicken ja wenig bringt. Allein den Punkt verstehe ich nicht ganz. Ich hebe ab auf die Vorstellung der INSM, die seit Gründung für den “schlanken” Sozialstaat eintritt, ich hebe ab auf die Agenda 2010, die den größten Abbau des Sozialstaats in der Geschichte der Bundesrepublik bedeutete, sowie auf die kernideologischen Elemente des Neoliberalismus, wie sie der “Wirtschaftsweise” Herbert Giersch Anfang der 90er Jahre unverblümt und prophetisch zum Ausdruck brachte:

      „Dies heißt Privatisierung und Deregulierung und ein Kürzen der Staatsausgaben. Widerstand gegen das Abspecken des Staates auf der Ausgabenseite kommt von der Bürokratie und den Subventionsempfängern. Wahrscheinlich muß daher das Abmagern auf der Steuerseite ansetzen: Steuersenkungen zum Mobilisieren des Diktats der leeren Kassen. Dies läßt allerdings, wie die Erfahrung zeigt, die Staatsdefizite steigen.“, Herbert Giersch (1991), Europas Wirtschaft 1991. Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und West, S. 17/18, http://www.stiftung-marktwirtschaft.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/khb07.pdf [↩]

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