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No 279

“Die Bundesregierung rät allen Ernstes zu mehr privater Vorsorge fürs Alter. Dabei spricht inzwischen dermaßen viel dagegen, dass man es für einen Anflug geistiger Umnachtung halten könnte — oder für einen Witz.
Unsere Volksvertreter ermahnen dazu, private Rentenversicherungen abzuschließen — obwohl hohe Gebühren die Renditen in den ersten Jahren oft komplett auffressen. Obwohl für die meisten Kunden am Ende eine mickerige bis gar keine Rendite herausspringen wird — bis hin zum Verlustgeschäft. Obwohl die Versicherer von unrealistisch hohen Lebenserwartungen ausgehen, was die Renten noch geringer ausfallen lässt. Und obwohl diejenigen, die eine Absicherung am nötigsten brauchen, oft kein Geld dafür übrig haben.
Wahrscheinlich glaubt kein Experte in der Koalition tatsächlich noch, dass mehr Aufträge für die Versicherungsindustrie auch eine bessere Absicherung der künftigen Rentner bedeuten. Sie trauen sich nur nicht, ihre eigene politische Linie zu verlassen. […]
Seit Rot-Grün haben alle Bundesregierungen eifrig daran getüftelt, das gesetzliche Rentensystem abzubauen. Immer wieder kamen in der Berechnung Faktoren dazu, die das Rentenniveau sinken lassen. Aber vor allem sollte der Beitragssatz stabil bleiben.
Was vielen nicht so bewusst ist: Der Satz liegt zwar für Pflichtversicherte bei 18,7 Prozent, von denen die Hälfte der Arbeitgeber bezahlt. Trotzdem ist das System nicht mehr paritätisch finanziert — denn wir sollen ja auch noch vier Prozent unseres Bruttolohns in private Vorsorge investieren. Der Arbeitgeber zahlt also insgesamt 9,35 Prozent, wir sollen aber 13,35 Prozent berappen.”

(Sarah Benecke, Journalistin – Auf der falschen Spur – Private Vorsorge ist kein Rezept gegen Altersarmut [1], Nürnberger Nachrichten, 26.10.2016)