Katja Kipping zur gnadenlosen Sanktions- und Gängelungspraxis im Hartz-System:
Hält man sich vor Augen, welches Menschenbild hinter dem Hartz-System steht, das die Benachteiligten einer Gesellschaft hauptsächlich verantwortlich für ihre Lebenssituation macht und à la Thatcher “There is no such thing as society” propagiert, möchte man als links denkender Mensch mit einer halbwegs vorhandenen Faktenkenntnis vor Zorn im Boden versinken. Es wurde ein Niedriglohnsektor in Deutschland geschaffen, durch den die Lebenszeit vieler abhängig Beschäftigten für lächerliche Löhne geraubt wird und Altersarmut geradezu erzwungen wird, damit Gewinne und Einkommen aus bloßem Erbrecht explodieren können, welche dann wiederum auf ihrer verzweifelten Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten spekulative Blasen erzeugen, für die wiederum bei ihrem Platzen die Mehrheit der Bevölkerung haftbar gemacht wird (Stichwort Bankenrettung). Und dann wird ernsthaft davon gesprochen, dass erwerbslosen oder erwerbsunfähigen Menschen keine anständige (d. h. demokratische und soziale Teilhabe ermöglichende) Lebensgrundlage in diesem Land zugestanden werden kann, weil ein Lohnabstandsgebot ja dafür sorgen müsse, dass arbeitende Menschen mit ihrem Hungerlohn immerhin noch mehr haben als jene Menschen, die vom Arbeitsmarkt nicht angenommen werden. Ich bin überzeugt, dass die späteren Geschichtsschreiber_innen auf diese Gesellschaft mit einem Schaudern zurückblicken werden. Setzen wir uns heute dagegen ein!
Zu den grotesken Umverteilungsmechanismen und den konservativen Leistungsmythen siehe erneut “Ein Jahrzehnt zunehmender Ungleichheit”.
