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6 Gründe, warum campact! die Wahrnehmung der politischen Realität der EU nicht besser macht

Campact! outet sich leider in Bezug auf die EU als eine Organisation für Oberschichts-Campaigning:

Unter dem Titel „Diese 6 Punkte zeigen, dass die EU unser Leben besser macht [1]“ bloggte campact! kürzlich: „Ein Grund zum Meckern über die Europäische Union findet sich immer: Zu bürokratisch, bürgerfern, neoliberal und zu ineffizient sei sie. Doch hat die Gemeinschaft auch mal etwas für uns getan? Diese sechs Punkte zeigen, dass die EU unser Leben besser macht.“ [Hervorhebungen durch Verf.]

  1. Sie lässt Dich studieren, arbeiten und leben wo Du willst […]

  2. Du kannst reisen – einfach so […]

  3. Sie schützt Dich […]

  4. Sie hat dir Frieden gebracht […]

  5. Sie garantiert weitreichende Rechte […]

  6. Sie sorgt sich um Deine Umwelt […]

Hallo campact! !

So einfach könnt ihr es euch bei dem EU-Thema doch nicht gemacht haben!?

Die EU ist toll, weil „wir“ überall studieren, reisen und arbeiten können, und somit „unser“ Leben besser ist? Es ist schon bitter, wenn ihr euch als progressive Organisation den negativen Freiheitsbegriff der Neoliberalen zu eigen macht! Echte Freiheit gibt es aber nur, wenn die Menschen wirtschaftlich befähigt werden, die zweifellos fehlenden Beschränkungen (Grundfreiheiten) der EU zu nutzen. Nicht JEDER kann reisen und studieren oder kann durch eine Akademiker-Ausbildung überall in der EU arbeiten und leben!

Außerdem, was macht die EU eigentlich im Detail zu einem „Friedensprojekt“?
Ist es der monetaristische Charakter des Maastricht-Vertrages, dessen Sparwahn die Schwächsten der EU-Gesellschaften am härtesten trifft? Oder ist es der marktradikale Lissabon-Vertrag, der von EU-Ländern verlangt (Grundrechtecharta untergeordnet!!!) sich gegenseitig im Wettbewerb der Nationen zu messen?

Preisfrage: Wenn ein Land in diesem Wettbewerb besiegt wird und seiner Bevölkerung keine Arbeitsgelegenheiten mehr geboten werden können, werden diese dann friedlicher oder nationalistischer?

Es ist doch trivial, dass die EU in ihrer gegenwärtigen Form nur existiert, weil sie vielen Menschen auch Vorteile bietet. Rechtfertigt dies aber den in neoliberalen Verträgen manifestierten menschenverachtenden Umgang mit den wirtschaftlich schwächeren Teilen der EU-Gesellschaften oder ganzen Ländern (wie Griechenland oder Rumänien)?

Ist es euch nicht unangenehm oder gar peinlich, dass ihr aus dem Land stammt, dessen Industrie die von euch verteidigten Verträge maßgeblich gestaltet hat und am stärksten von ihnen profitiert, während andere Industrien nicht mehr mithalten können und ihre Bevölkerungen in die Arme der Rechtspopulisten getrieben werden?

Denkt doch darüber nach! Es geht nicht darum über die EU zu meckern, sondern ihre (strukturellen) Defizite zu identifizieren und darüber eine kritische öffentliche Debatte anzustoßen, die den Menschen vermittelt, dass sie nicht zu den bloßen “Randphänomenen”, zur “Peripherie” des ansonsten “wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraums der Welt” (ehem. Lissabon-Strategie) gehören. Allein damit wird man verhindern, dass immer mehr den Rechtspopulisten hinterher laufen, die die Sorgen, Frustrationen und Nöte anzusprechen und eben auf sehr hässliche Weise umzulenken wissen. Solch eine Debatte ist dringend nötig und sollte nicht durch ideologische Schönfärberei getragen sein, die aus der Angst heraus, unschöne Dinge anzusprechen, für viele Betroffene wie Hohn klingt. Solch eine Debatte ist nötig, auch wenn es bedeutet, dass die bestehenden Verträge mit ihrer Konkurrenzfixation und ihren wirtschaftsliberalen Dogmen dem Papierkorb der Geschichte überantwortet werden müssen.