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Zwei weitere Gründe vom demokratischen Nadelöhr am Sonntag in Schleswig-Holstein Gebrauch zu machen

Sind Sie für die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs, unter dem Löhne, Sozialausgaben und Steuern erfolgreich in den letzten Jahrzehnten zum “Standortnachteil” erklärt werden konnten, oder dagegen? Sind Sie für die Schaffung von Klagerechten exklusiv für Unternehmen und Konzerne, durch die politische Entscheidungen – gerade wenn sie einmal im Sinne und zum Wohle der meisten Bürger*innen erfolgen – zum Hindernis für Unternehmensgewinne erklärt werden können, für die dann die Steuerzahler*innen Entschädigungen zahlen müssen? Sind Sie also für die Einführung dieses Versicherungssystems gegen den Schadensfall Gemeinwohl?

Wenn nicht, dann lohnt es sich alle Male, als wahlberechtigte Person in Schleswig-Holstein am Sonntag zur Landtagswahl zu gehen. Und wer die Stimme dabei nicht davon abhängig machen möchte, welche Partei ihm oder ihr den schönsten Kugelschreiber oder Luftballon geschenkt hat, erhält von Campact nützliche Wahlinformationen:

“Die CDU und die FDP haben sich in ihren Antworten eindeutig für CETA ausgesprochen. Sie werden sich im Bundesrat nicht für einen Stopp des Abkommens einsetzen. Die SPD legt sich nicht fest. Sie hat noch keinen Entscheidung über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat getroffen und verweist auf mehrere Drucksachen des Landtages. Dabei handelt es sich um gemeinsame Anträge von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerbund (SSW), denen der Landtag zugestimmt hatte. Wer diese Anträge beim Wort nimmt, kann CETA nur ablehnen. Die Grünen, der SSW, die Linke und die Piraten in Schleswig-Holstein lehnen CETA in der jetzt vorliegenden Form strikt ab. Sie werden sich dafür einsetzen, dass Schleswig-Holstein dem Abkommen im Bundesrat nicht zustimmt.”

(Campact – CETA stoppen: Jetzt kommt es auf Schleswig-Holstein an, 27.4.2017)

Wer jedoch unser Portal kennt, der oder die lasse sich an dieser Stelle noch an einen zweiten wichtigen Wahlprüfstein erinnern. Auch dieser hat nicht allein mit der Landesebene zu tun, da sich in ihm der ökonomische Zeitgeist widerspiegelt, wie er sich leider auf allen Ebenen vorfinden lässt: “Sparen ist gut, Schulden sind böse”. (Und damit verbunden: Sparwille führt zu Sparerfolg, gesamtwirtschaftliche Logik hin oder her.)

Das ist die Position, in der sich alle derzeit im Schleswig-Holsteinischen Landtag vertretenen Parteien weitgehend einig sind:

SPD: “Wir wollen den Konsolidierungskurs fortsetzen. Ab 2018 werden wir ausgeglichene Haushalte vorlegen. Gleichzeitig wollen wir mehr Geld für Bildung, Familien und Infrastruktur investieren. Wir werden die Regelungen der Schuldenbremse einhalten.”

CDU: “Deshalb werden wir – die günstige Zinssituation nutzen, um einen Teil unserer Schulden zu tilgen und auf diese Weise Vorsorge für steigende Zinsen zu treffen; – einen Tilgungsplan aufstellen, mit dem die Schulden des Landes innerhalb der gleichen Zeitspanne zurückbezahlt werden, in der sie aufgenommen wurden.”

Grüne: “Wir werden die Schuldenbremse einhalten und die Haushaltskonsolidierung fortsetzen […]”

FDP: “Ziel einer ausgewogenen Finanzpolitik muss es sein, nach Umsetzung der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 auch einen Einstieg in die regelmäßige Tilgung der Schulden zu finden.”

Piraten: “Wir wollen Schleswig-Holstein zum Vorreiter in Deutschland für eine nachhaltige Staatsfinanzierung machen, indem wir die Schuldenbremse durch einen Schuldenstopp ergänzen: Wir wollen in der Landesverfassung festschreiben, dass Schleswig-Holstein seine Schulden bis 2050 schrittweise zurückzahlen muss.”

SSW: “In den kommenden Jahren steht unser Land vor weiteren großen Weichenstellungen. Bis 2020 werden wir die Schuldenbremse erfüllt haben und die Nettoneuverschuldung des Landes auf Null gebracht haben. Dann geht es darum, mühsam die Altschulden abzubauen.”1

So einleuchtend derartige Aussagen klingen, so weltbildgeladen (und zukunftsgefährdend) sind sie leider. Wer hier weitere Informationen wünscht, für den oder die hatten wir die Zusammenhänge schon vor längerer Zeit anhand der Bundesebene ein wenig verdeutlicht: “Das Gemeinwesen: ausgehungert und zwangskorsettiert”

Nun wäre der Umstand, dass viele das Falsche glauben, oder zumindest nicht über den nötigen Bezugsrahmen (gesamtwirtschaftlich) verfügen, um erfolgreich navigieren zu können, zwar verkraftbar, doch fehlt gerade bei diesem wichtigen Thema leider der Pluralismus (auch) im Landtag von Schleswig-Holstein (mit einer erschreckenden Überspitzung der Fehlvorstellung von “Konsolidierung” bei den Piraten). Weniger freundlich gesagt: In der Frage der Funktion von Schulden besteht ein weitgehendes Meinungskartell, das sich bislang seine eigene Realität schafft.

In diesem Blog sind wir der Überzeugung, dass die ökonomische Ebene bei der politischen Bewertung einen besonderen Stellenwert einnimmt, da sie nicht nur das beobachtbar letzte Wort für gesellschaftliche Gestaltung hat, sondern eben auch mit den größten Hintergrundinteressen erfüllt und leider zugleich durch eindrucksvolles Fehlwissen in der Öffentlichkeit geprägt ist, so dass die Interessen im Hintergrund sich seit mehreren neoliberalen Jahrzehnten die Hände reiben können und ein leichtes (Verwirrungs-)Spiel haben. Somit versteige ich mich, daran zu erinnern, dass zumindest DIE LINKE sich konsequent als letzte Verfechterin von Gesamtwirtschaft und Nachfragesicht unter den bekannteren Parteien behauptet:

DIE LINKE:
“Zweitens müssen wir in Schleswig-Holstein die Schuldenbremse lösen. Sie ist schädlich für alle Menschen in unserem Land und verhindert dringend notwendige Investitionen. Angesichts der Refinanzierung von Investitionen durch dadurch entstehende Wachstumsimpulse und derzeit niedrige Zinsen ist die Tatenlosigkeit der Landesregierung verantwortungslos. Dass in Banken und Konzerne investiert wird, nicht aber zum Wohl aller Menschen in unserem Land, muss ein Ende haben.”

P.S.: Wer nun clever einwenden mag, dass die “Schuldenbremse” in SH ja auf die Konjunktur Rücksicht nähme und somit sehr wohl nachfragesensibel sei, der oder die sei noch daran erinnert, was von “struktureller Verschuldung” und “Potentialwachstum” zu halten ist: “>>NAIRU<< – ein irreführendes Konzept besonders in Krisenzeiten”

  1. Der SSW wurde am 6.5. um 13:23 Uhr nachgetragen []

Jascha Jaworski

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