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USA und Russland: Wer mischt(e) sich bei wem ein?

Da zur Zeit viel über den vermeintlichen Einfluss Russlands auf die US-Wahl gesprochen wurde und wird, der übrigens damit begann, dass Hillary Clinton ihren parteiinternen Gegenkandidaten Bernie Sanders behinderte, und die Schuld für diese Offenlegung den Russen gab, möchte ich einmal auf die Einflussnahme der USA verweisen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von der US-Seite (und anderen westlichen Staaten) auf die russische Politik während der 90er ausging.

Neoliberaler Kahlschlag in den 1990er

Boris Jelzin peitschte damals Anfang der 1990er sehr radikale wirtschaftsliberale Wirtschaftsreformen in Russland durch, die unter anderem einen sehr starken Wirtschaftseinbruch verursachten und die sozialen Verhältnisse (und mit ihr die Kriminalitätsrate und die Lebenserwartung) dramatisch verschlechterten. Auch der IWF spielte mit seinen Reformvorschlägen damals eine Rolle.

Unterstützung anti-parlamentarischer Militärgewalt

Trotzdem unterstützten die meisten westlichen Staaten – auch Helmut Kohl, der aktuell in den Medien vor allem gelobt und weniger kritisiert wird – damals bei der Verfassungskrise 1993 Jelzin, obwohl er rechtsmäßig vom Parlament abgewählt wurde und mit der Hilfe des Militärs das gegen seine Wirtschaftsreformen opponierende Parlament unter Inkaufnahme vieler Toter  zusammenschießen lies.

Coupon-Privatisierung und Oligarchisierung

Nachdem Jelzin wieder an die Macht gekommen war, beschloss er 1994 die Coupon-Privatisierung, die es einflussreichen Politikern und Geschäftsleuten Russlands ermöglichte, die staatlichen russischen Unternehmen günstig aufzukaufen, was zur Bildung der russischen Oligarchie massiv beitrug.

US-Einflussnahme auf die Wahl 1996

1996 waren die Umfragewerte von Jelzin auf 5% abgestürzt, worauf er von den USA Wahlkampfhilfe bekam, die erst kurz vor der Wahl im selben Jahr aufgedeckt wurde. Jelzin gewann damals trotz der vorherigen grausigen Umfragewerte die Wahl noch.

Verantwortung der Regierung Clinton

Darauf hinzuweisen ist, dass zu dieser Zeit Bill Clinton Präsident der USA war (Januar 1993 – Januar 2001), während Hillary Clinton den Titel der First Lady der USA inne hatte, und sich damals schon, wenn auch nicht in großen offiziellen Ämtern, politisch stark engagierte. Man kann Frau Clinton in dieser Hinsicht mit Recht Selbstgerechtigkeit und Doppelmoral vorwerfen, wenn sie sich jetzt über eine “russische Einmischung” beschwert, ohne die damalige der USA unter ihrem Ehemann anzusprechen.

Typisches Beispiel der US-Interessenpolitik

Besonders dramatisch ist diese massive (und während der Verfassungskrise auch anti-demokratische) Unterstützung, weil Jelzin eine so erschreckende Wirtschaftspolitik gemacht hat, die offenbar von westlichen Unterstützern auch gewünscht gewesen war oder zumindest relativ kritiklos hingenommen wurde. Von den vielen anderen (geheimdiestlichen) Fällen der US-Einmischung sollte man natürlich auch nicht absehen.

(Noch) Keine stichhaltigen Beweise für russischen Einfluss

Dazu kommt noch, dass der russische Einfluss noch nicht einmal stichhaltig bewiesen wurde, und die Anschuldigung verhältnismäßig kleinlich wirken, da Hillary Clinton die Grundlage ihrer Niederlage durch die in den geleakten Daten veröffentlichte Behinderung von Bernie Sanders selbst verursacht hatte.

Es ist zudem durchaus möglich, dass Mitglieder der demokratischen Partei selbst diese Daten veröffentlicht haben, und Clinton nur von ihrer eigenen Einflussnahme ablenken wollte, indem sie die Russen als “Petze” verantwortlich machte. Und mitspielende Interessengruppen in den USA, denen ein Feindbild Russland entgegenkommt, um ihre eigenen Ziele umzusetzen, gibt es auch nicht wenige. Hier auch einer von mehreren Beiträgen des ehemaligen CIA-Analysten Ray McGovern zu dieser Vermutung.

Schon wieder eine “Verschwörungstheorie”?

In diesem Zusammenhang soll hier noch einmal der Begriff “Verschwörungstheorie” aufgegriffen werden, der ja gerne gegen Spekulationen bezüglich Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von offiziellen politischen Verlautbarungen verwendet wird. Da Hillary Clinton und andere Regierungskreise Russland beschuldigen, obwohl noch nichts stichhaltig bewiesen wurde und Putin diesen Vorwurf zurückgewiesen hat, ist jeder Vorwurf gegenüber Russland natürlich auch nur eine Verschwörungstheorie, nur eben eine hochrangiger politischer Akteure der USA.

Zudem sollte man sich von solchen Kategorisierungen nicht abschrecken lassen, denn gelegentlich soll es tatsächlich mal vorkommen, dass es Verschwörungen gibt (Unternehmenskartelle, Abgasskandal, NSA-Skandal, Watergateaffäre, Geheimdienstoperationen, Schwarzgeldaffäre von Kohl, Brutkastenlüge, Irakkrieg & sonstige Kriegslügen sowie vieles mehr).

Jochen Schölermann

Ein Kommentar

  1. Aus dem Blog von Norbert Häring zum Thema Verschwörungen eine wie ich finde gelungene Definition . “Eine Verschwörung ist eine Verabredung von Menschen mit einer relevanten Gestaltungsmacht, über die sie Stillschweigen bewahren.

    In diesem Sinne ist Verschwörung normales politisches Geschäft. Nur die allernaivsten Naturen gehen davon aus, dass es nicht typischerweise Verabredungen zwischen Politikern untereinander, Wirtschaftsakteuren untereinander und von Politkern mit Wirtschaftsakteuren gibt, von denen uns nichts mitgeteilt wird.”

    Zu den Vorgängen im Russland der 90′ bis heute eine hervorragende Lektüre welche den vorliegenden Artikel mit zahlreichen zusätzlichen Informationen weiterführt. Hier die ersten Zeilen…

    https://thesaker.is/1993-2013-is-the-twenty-years-long-pas-de-deux-of-russia-and-the-usa-coming-to-an-end/

    Sunday, October 13, 2013
    1993-2013: is the twenty years long “pas de deux” of Russia and the USA coming to an end?
    The latest tensions between the EU and Russia over Greenpeace’s stunt in the Arctic only confirmed a fact which nobody really bothers denying anymore: Western political and financial elites absolutely hate Vladimir Putin and they are appalled at Russia’s behavior, both inside Russia and on the international scene. This tension was quite visible on the faces of Obama and Putin at the G8 summit in Lough Erne where both leaders looked absolutely disgusted with each other. Things got even worse when Putin did something quite unheard of in the Russian diplomatic history: he publicly said that Kerry was dishonest and even called him a liar.

    While tensions have reached some sort of climax over the Syrian issue, problems between Russia and the USA are really nothing new. A quick look at the recent past will show that the western corporate media has been engaged in a sustained strategic campaign to identify and exploit any possible weaknesses in the Russian “political armor” and to paint Russia like a very nasty, undemocratic and authoritarian country, in other words a threat to the West. Let me mention a few episodes of this Russia-bashing campaign (in no particular order):

    Berezovsky as a “persecuted” businessman
    Politkovskaya “murdered by KGB goons”
    Khodorkovsky jailed for his love of “liberty”
    Russia’s “aggression” against Georgia
    The Russian “genocidal” wars against the Chechen people
    “Pussy Riot” as “prisoners of conscience”
    Litvinenko “murdered by Putin”
    Russian homosexuals “persecuted” and “mistreated” by the state
    Magnitsky and the subsequent “Magnitsky law”
    Snowden as a “traitor hiding in Russia”
    The “stolen elections” to the Duma and the Presidency
    The “White Revoluton” on the Bolotnaya square
    The “new Sakharov” – Alexei Navalnyi
    Russia’s “support for Assad”, the (Chemical) “Butcher of Damascus”
    The Russian constant “intervention” in Ukrainian affairs
    The “complete control” of the Kremlin over the Russian media

    This list is far from complete, but its sufficient for our purposes. Let me also immediately add here that it is not my purpose today to debunk these allegations one by one. I have done so in this blog many times the past, so anybody interested can look this up. I will just state here one very important thing which I cannot prove, but of which I am absolutely certain: 90% or more of the Russian public believe that all these issues are absolute nonsense, completely overblown non-issues. Furthermore, most Russians believe that the so-called “democratic forces” which the Western elites support in Russia (Iabloko, Parnas, Golos, etc.) are basically agents of influence for the West paid for by the CIA, MI6, Soros and exiled Jewish oligarchs. What is certain is that besides these small liberal/democratic groups, nobody in Russia takes these accusations seriously. Most people see them exactly for what they are: a smear campaign.

    ….

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