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Was schwäbische Hausfrauen (und andere Nachfolger von Kanzler Brüning) noch lernen müssen – ein Gastbeitrag

Dieser Gastbeitrag stammt von unserem Mitstreiter J. H.

Schulden sind böse und wenn wir alle unsere Schulden zurückgezahlt haben, wird alles gut.

Diese Ansicht ist nachvollziehbar für einzelne verschuldete private Haushalte – denn wer hat schon gerne Schulden? Was für den Einzelnen gut ist, muss auch für alle gut sein – dachten möglicherweise unsere Politiker – und deshalb haben wir jetzt eine Schuldenbremse im Grundgesetz.

Was aber passiert, wenn der Staat seine Schulden zurückzuzahlen versucht?

Um zu verstehen, was bei diesem Versuch geschieht, ist es notwendig die Grundlagen des Kapitalismus zu verstehen, sozusagen das kleine Einmaleins des Kapitalismus. Und das lautet: In einem geschlossenen[1] Wirtschaftssystem gilt für die Beträge von (Geld-) Guthaben und Schulden in jedem Moment:

Guthaben = Schulden

In anderen Worten:

Da jeder Forderung eine entsprechende Verbindlichkeit gegenüber steht, muss in einer geschlossenen Volkswirtschaft das […] Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten  – Null sein.[2]

Dieser Sachverhalt lässt sich auch daraus ableiten, dass Geld bei der Geldschöpfung[3] durch Zentralbank und Geschäfts-Banken stets als gleich großes Paar von Geld-Guthaben und Schulden entsteht. Dieser Vorgang ist in der Bankbilanz eine Bilanzverlängerung[4]. Wird ein Kredit getilgt (also Schulden zurückgezahlt), dann lösen sich genau gleich viel Geld und Schulden in Nichts auf. Dieser Vorgang in der Bankbilanz ist eine Bilanzverkürzung[5]. Die Entwicklung der Summe aller Netto-Geldvermögen und der Summe aller Netto-Schulden bis zum Jahr 2010 für Deutschland (Bestand zum Jahresende) laut “Statistischem Sonderbericht 4”[6] der Deutschen Bundesbank sieht so aus[7]:

Ganz offensichtlich steigen Geldvermögen und Schulden Jahr für Jahr exakt spiegelbildlich immer weiter an.

Zurück zu der Fragestellung: Was passiert, wenn der Staat seine Schulden zurückzuzahlen versuchen?

Laut Deutscher Bundesbank sind Geldvermögen und Schulden entsprechend der obigen Grafik (rechte Seite, Stand 2010) verteilt auf die Sektoren[8]: Private Haushalte, Banken, Ausland, Unternehmen, Staat. Weil die Summe aller Sektoren zu jedem Zeitpunkt immer gleich Null ist folgt: Wenn der Staat seine Schulden reduziert, dann müssen entweder andere Sektoren diesen Anteil übernehmen z.B. durch erhöhte Verschuldung der Unternehmen oder des Auslands oder der Banken…

(Das ist jedoch unrealistisch: Die Unternehmen reduzieren gerade ihre Schulden, das Ausland z.B. Griechenland oder Spanien versucht auch die Verschuldung zu reduzieren und die Banken müssen selber andauernd gerettet werden.)

… oder aber die Geldvermögen der privaten Haushalte müssen reduziert werden – vorzugsweise durch eine progressive Vermögenssteuer.

Zu den Größenordnungen: Die privaten Geldvermögen reichen ca. 2,6x aus, um den Staat auf einen Schlag schuldenfrei zu machen. Die privaten Geldvermögen sind jedoch in der Bevölkerung extrem ungleich verteilt:

Bedingt durch Steuergeschenke an die Reichen und Kapitalakkumulation durch ganz normale Wirtschaftsprozesse werden die Reichen immer reicher und die restlichen 90% immer ärmer. Um diesen schädlichen Prozess (der zu immer höherer Verschuldung führt und die Binnennachfrage zusammenbrechen lässt) umzukehren, ist eine progressive Steuer auf Geld-Vermögen nötig, die so hoch ausfällt, dass die hohen Vermögen so lange reduziert werden, bis die daran gekoppelte Verschuldung der anderen Sektoren auf ein erträgliches Maß reduziert ist.

Die eingenommenen Steuergelder können außer zur Schuldentilgung auch sinnvoll verwendet werden für kostenlose Bildung, Infrastruktur, bessere erneuerbare Energien-Technologie oder humane Altenpflege und andere soziale Aufgaben.

Was hat das Ganze mit Brüning zu tun?

Vom 30. März 1930 bis zum 30. Mai 1932 war Brüning Deutscher Reichskanzler und hat dieselbe „Spar“-Politik gemacht wie die jetzige Regierung. Gekürzt wurde -genau wie heute- bei den ärmsten Bevölkerungsgruppen. Diese „Spar“-Politik hat den Boden bereitet für den Aufstieg der Nationalsozialisten. Aktuell ist es in dieser Hinsicht 5 vor 12. Wollen wir es wirklich wieder einmal so weit kommen lassen?

Noch ist Zeit zur Umkehr!

 

[1] Die Weltwirtschaft als Ganzes ist zwangsläufig geschlossen, denn den Ferengi aus Star Trek sind wir (zum Glück) bisher nicht begegnet.

[8] Die Summe der o.g. Sektoren ergibt übrigens die gesamte Welt, die ja bekanntlich insgesamt eine geschlossene Volkswirtschaft darstellt.

Jascha Jaworski

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