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Deutsche Konjunktur 2017: Vor allem durch den Export besser als erwartet

Im Konjunkturbericht des letzten Jahres war ich eher skeptisch bezüglich einer weiter steigenden Beschäftigung in 2017. Durch die prognostizierten nachlassenden Steigerungen der Staatsausgaben und die anziehenden Ölpreise ging ich von einer eher schwächeren Binnenkonjunktur 2017 aus, war mir im Hinblick auf die Weltkonjunktur aber unsicher. Unter anderem argumentierte ich mit der damals von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichen Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die zu stagnieren begann.

Konjunkturaufschwung hielt 2017 an

Diese eher negative Einschätzung zur Beschäftigung bewahrheitete sich allerdings nicht, was auch mit einer massiven Datenrevision der Bundesagentur für Arbeit zu tun hatte, so dass eine wichtige Grundlage meiner Einschätzung ihre Substanz verlor. Tatsächlich ist wohl ungefähr die Hälfte1 des Wachstums von 2,2%  des vergangenen Jahres auf einen Anstieg der geleisteten Arbeitsstunden zurückzuführen, womit wirtschaftliche Faktoren das Groß des Beschäftigungsanstiegs erklären können. Die Konjunktur lief damit also auch im vergangenen Jahr ganz gut und diese Dynamik scheint laut Arbeitsmarktstatistik noch anzuhalten.

Was sind nun die Ursachen für die gute Konjunktur? Wie vermutet sind die Staatsausgaben mit nur noch halb so hohen Wachstumsbeiträgen schwächer ausgefallen (0,3 Prozentpunkte). Auch die Ölpreise sind insgesamt wieder deutlich gestiegen (ca. 20% zum Vorjahr) und bewirkten damit eine leichte Schwächung des privaten Konsums. Trotzdem haben laut der BIP-Rechnung Investitionen und der private Konsum das Wachstum stark angetrieben (zusammen 1,7 Prozentpunkte), während der Beitrag des Außenhandels eher niedrig war (0,2 Prozentpunkte).

Zu schwache Berechnung des Exportbeitrags

Haben mich diese Zahlen insbesondere beim privaten Konsum anfangs noch überrascht, da bspw. die Tarifverdienste mit 2,3% Zuwachs mehr als 0,5% unter der goldenen Lohnregel2 lagen, hat mich ein Beitrag von Friederike Spiecker auf Makroskop nun auf einen entscheidenden Punkt hingewiesen. Die Importpreissteigerungen in der BIP-Rechnung sind niedriger angesetzt (2,6%), als sie tatsächlich gemessen wurden (4%). Das heißt auch, dass die Verbraucher abgesehen von den Aufpreisen für Rohstoffe nicht so viel im Ausland gekauft haben, wie in der BIP-Rechnung gedacht. Es müsste somit der Außenbeitrag vermutlich von 0,2 auf ca. 0,6 nach oben korrigiert werden, wodurch die anderen Komponenten schwächer ausfallen würden3. Zudem würde das natürlich auch bedeuten, dass selbst die verbliebenen binnenwirtschaftlichen Effekte zum Teil nur eine Folge gestiegener Exporte sind4.

Konjunkturaufschwung ohne binnenwirtschaftliche Eigenleistung

Der Traum eines durch deutsche Wirtschaftspolitik herbeigeführten binnenwirtschaftlichen Aufschwungs ist damit auch 12 Jahre nach der Agenda 2010 noch nicht eingetreten, denn die Hauptursachen des seit 2013 stattfindenden Konjunkturaufschwungs sind:

  • Niedrigzinsen (vor allem in der Wohnungs-Bauwirtschaft durch Investitionen seit 2011 bemerkbar)
  • Der gesunkene Ölpreis (stärkerer privater Konsum in 2015/2016)
  • Staatliche und private Mehrausgaben infolge von Zuwanderung und der Flüchtlingskrise (Konsum und Bauwirtschaft 2015 – 2017)
  • Ein niedriger Wechselkurs (Exportsteigerung sowie z. T. Importsubstitution 2015 – 2017)
  • Die relativ stabile Weltkonjunktur (Exportstabilität).

Die Einkommensentwicklung lag in dieser Zeit bestenfalls im Rahmen des Verteilungsspielraums, so dass es in dieser Hinsicht zwar kaum negative, aber auch keine positiven Effekte gab. Für die überraschend hohen realen Einkommenszuwächse 2015 & 2016 waren niedrige Rohstoffpreise verantwortlich.

Die Investitionen spielten außerhalb der Wohnungsbauten keine wirkliche Rolle beim Aufschwung. Der Bestandteil der Ausrüstungsinvestitionen, der seit dem Bestehen der BRD im Jahr 1949 bei allen Konjunkturphasen eine entscheidende Rolle beim Auf- und Abschwung hatte, trägt zu diesem Aufschwung insgesamt wenig bei. Das hebt den Aufschwung von anderen Aufschwungsphasen entschieden ab und stellt die Rolle genannter Sondereffekte heraus.

Meine Konjunkturerwartungen für 2018 und ggf. danach

  • Der Ölpreis ist seit Ende 2017 wieder etwas deutlicher gestiegen. Die Rohstoffpreisentwicklung für 2018 ist aus meiner Sicht unsicher, aber es ist wahrscheinlich, dass durch ihn der private Konsum weiter gedämpft werden dürfte. Langfristig ist natürlich damit zu rechnen, dass der Preis steigen wird, da die Förderung teurer & schwächer und der Verbrauch weltweit größer werden. Vermutlich werden Preisauftriebe durch Spekulation massiv verstärkt, so dass Schockeffekte in der Weltwirtschaft auftreten können.
  • Die Einkommensentwicklung könnte durch die verbesserte Beschäftigungssituation durchaus im Verteilungsspielraum liegen. Es gibt daher von dieser Seite aus keine besonderen Effekte auf die Konjunktur. Durch den demographischen Wandel könnte die Arbeitslosigkeit insbesondere ab 2020 stetig verringert werden5, wodurch sich auch Chancen für eine bessere Verhandlungsposition der Arbeitnehmer ergeben.
  • Der Aufschwung in der Bauwirtschaft dürfte durch die gleichbleibenden Zinsbedingungen und die eher nachlassende Zuwanderung abflauen.
  • Der aufwertende Euro könnte den Export zunehmend wieder etwas bremsen. Der Exportzuwachs dürfte daher schwächer als 2017 ausfallen.
  • Die Weltwirtschaft hat sich bisher gut gehalten, aber kritische Entwicklungen in den USA, Großbritannien (Immobilienblase) und China sind denkbar. Die hohen Aktienkurse und die weltweit eher steigenden privaten Schuldenquoten könnten bei konjunkturellen Schwierigkeiten oder Zinsanhebungen leicht zu einem Problem für den Bankensektor werden. Dann wäre der deutsche Export wie 2009 sehr gefährdet.
  • Der Konjunkturaufschwung wird sich insgesamt in 2018 abschwächen, und somit auch den Beschäftigungsanstieg verlangsamen und ggf. zum Stillstand bringen.
  • Spannend ist auch die Entwicklung der Produktivität pro Stunde als Anteil am Wirtchaftswachstum. Lagen die Raten zwischen 2008 und 2015 im Durchschnitt nur knapp bei einem halben Prozentpunkt pro Jahr, scheinen sie 2016 und 2017 nun wieder mit ca. einem Punkt zu steigen. Bisher blieb die Welle um die sogenannte “Industrie 4.0” folgenlos und die Entwicklung bleibt im Vergleich zu den Zeiten zwischen 1950 und 1990 (abnehmend zwischen 6% und 2% pro Jahr) sehr schwach. Man darf gespannt sein, ob sich der Trend dauerhaft umkehren kann.

  1. Die Daten werden im Laufe der kommenden Jahre nochmals überprüft und vermutlich korrigiert, wie es zumeist der Fall ist. []
  2. Zielinflationsrate der EZB + Produktivitätszuwachs pro Arbeitsstunde []
  3. Es werden nämlich nominale Größen gemessen, und daraus mit gemessenen Preisen berechnet, welche Komponenten wieviel zum “realen” BIP beigetragen haben. []
  4. Investitionen als Folge von Exporten und der höhere Konsum von im Export Beschäftigten zählen nämlich nicht zum Export, obwohl sie von ihm abhängig sind. []
  5. Der Abbau der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland zeigt, dass solche Effekte eintreten []

Jochen Schölermann

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