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No 348

“Das Thema Hartz IV kommt im Koalitionsvertrag nicht vor. Das brutale Sanktionsregime, die nicht existenzsichernden Sätze, all das interessiert Union und SPD nicht. Da wirkt es fast zynisch, das Regierungsprogramm mit >>Ein neuer Zusammenhalt für unser Land<< zu überschreiben.
Ebenso zynisch wirkt in diesem Zusammenhang der kolportierte Kampf der SPD-Familienministerin Katarina Barley gegen Kinderarmut, der unter anderem durch eine Erhöhung des Kindergelds und des Kinderzuschlags gewonnen werden soll. Beides wird bei Hartz-IV-Empfängern mit deren Regel­betrag verrechnet beziehungsweise nicht gewährt – eine alleinerziehende Mutter in ALG II und deren armutsgefährdete Kinder gehen leer aus.”1

(Jörg Wimalasena, Journalist – Wieder nichts übrig für die Armen, Kommentar in der taz, 20.2.2018)

  1. Anm. JJ: Rund 2 Millionen Kinder leben in sog. ALG-II-Bedarfsgemeinschaften, davon rund eine Million bei Alleinerziehenden. Auch diese scheinen für die großkoalitionäre Sozialpolitik geradezu unsichtbar geworden zu sein. Die “Weiter-so”-Poltikerinnen und -Politiker haben sie ausgeblendet, abgeschrieben, dem von ihnen wie besessen umklammerten “System Hartz” überlassen, das sich als Strafkolonie im so schönen neuen “aktivierenden Sozialstaat” versteht, bei dessen Konzeption Ebenezer Scrooge Pate gestanden haben muss. Ein in Sozialpolitik gegossenes negatives Menschenbild, das auch noch das Wenige vom Wenigen entzieht, um zu strafen, Zitat: “Fast ein Drittel aller Hartz-IV-Sanktionen trifft Familien mit Kindern. Es handelt sich um Bescheide, die deren Leistungsansprüche kürzen. Von Oktober 2016 bis September 2017 wurden rund 954.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Beziehende verhängt; 310.000 davon gingen an Haushalte mit Kindern.” (Siehe “Hartz-IV-Sanktionen treffen oft Kinder”). Wer es nicht aus eigener Erfahrung kennt: Für einen kleinen Einblick in die Lebensverhältnisse von Menschen, die sich in dieser ideologisch gebastelten Restkategorie von Sozialstaatlichkeit befinden, siehe z.B. die WDR Sendung “Die Reportage”, die den engagierten Anwalt Alfred Kroll 2011 begleitete, der immerhin gegen den justiziablen Teil dieses Systems vorgehen konnte. Immer noch aktuell, wie die heutigen Zahlen zu den Klagen belegen. Doch das Thema kommt im Koalitionsvertrag ja nicht vor. Ist das die “sozialdemokratische Handschrift” des 21. Jahrhunderts? []

Jascha Jaworski

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