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No 365

“Die Sozialdemokratie hat den Auftrag irgendwann […] vergessen und ist so unglaubwürdig geworden in vielen Fragen. […] Und für mich kann die Analyse nur sein, dass im Rahmen des Grundsatzprogrammes, was jetzt diskutiert wird, es wieder klar sein muss, dass wir für ein anderes Wirtschaftssystem eintreten müssen, weil das neoliberale, so wie es funktioniert, gescheitert ist, und die Sozialdemokratie die historische Aufgabe hat, dieses System so zu überwinden. Und Du hast das Fundament geliefert, das könnte man eins zu eins so hernehmen. Es wurde ja nie so gelebt, weil es der Großteil auch in unserer Partei nicht mehr glaubt. So ehrlich muss man ja sein, wir haben uns bewusst dafür entschieden: Wir verwalten das schon. Wir sind das kleinere Übel, Du hast das so betitelt, und das ist auch tatsächlich so passiert. Und das ist für mich als jungen Menschen in dieser Partei auch der große Punkt, warum wir in so breiten Schichten auch bei ArbeiterInnen und Angestellten keine Glaubwürdigkeit mehr besitzen. Weil sie es uns nicht verziehen haben. Und weil wir so lange auch die Kompetenz in dieser Frage uns selbst zerstört haben. Und weil damit einher ein neues Personal in der Sozialdemokratie übernommen hat, das mit der Lebensrealität dieser Menschen, die ja aufgrund dieses Systems so unglaublich unter Druck sind, überhaupt nichts mehr zu tun hat.”1 [1]

(Max Lercher, Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs im Gespräch mit Stephan Schulmeister – Aufgaben der Sozialdemokratie [2], Karl-Renner-Institut, 26.4.2018)

  1. Max Lercher spricht für die SPÖ aus seiner Position heraus sehr offen und klargeistig die selbstgeschaffenen Probleme der Sozialdemokratie an, die natürlich ihre Verwerfungen bezogen auf das gesamte politische System haben. In Österreich ist man jedoch auch schon weiter, da die SPÖ nicht nur wieder auf die Oppositionsrolle beschränkt ist, sondern eben auch der ehemalige konservative Koalitionspartner ÖVP noch einmal weiter nach rechts kippte und jetzt bekanntlich in der Regierung mit der rechtsextremen FPÖ den bereits lädierten Sozialstaat gleich im Komplettpaket mit dem liberalen Gesellschaftsmodell abzuwickeln versucht. Solch eine erzkonservative Wende wird dieser Tage bei uns ja gerade angegangen. Nicht fern vielleicht der Zeitpunkt, zu dem ein Kanzler Spahn mit einem Vizekanzler Seehofer und einem Außenminister Lindner eine neue Regierung bildet, die vielleicht (zunächst noch) unter Duldung durch die AfD zustande kommt. Leider sehen viele Menschen, die dies gern verhindert wüssten, nicht, welche Rolle dabei eine grundlegend andere Politik spielen würde, und wie “grundlegende Politik” eben Wirtschafts- und Sozialpolitik bedeuten würde. Ebenso wenig, wie erkannt wird, dass Probleme (z.B. aufkeimender Nationalismus) nicht an dem gleichen Ort zu lösen sind, an dem sie in Erscheinung treten. Doch dies ist ein typisch konservatives Denken, das einmal mehr etwas über den Zeitgeist verrät. [ [3]]