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No 366

“Der Euro steuert möglicherweise auf eine neuerliche Krise zu. Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, hat eine Regierung gewählt, die sich am besten als euroskeptisch beschreiben lässt. Dies sollte niemanden überraschen. Die Gegenreaktion in Italien ist eine weitere vorhersehbare und vorhergesagte Episode in der langen Saga eines schlecht konzipierten Währungssystems, in dem die dominante Macht, Deutschland, die notwendigen Reformen behindert und auf einer Politik beharrt, die dem System innewohnenden Probleme verschärft, wobei sie eine Rhetorik verwendet, die scheinbar die Absicht verfolgt, Leidenschaften anzuheizen. […]
Dieses System nahm den Regierungen ihre wichtigsten Anpassungsmechanismen Zinsen und Wechselkurse, und statt neue Institutionen zu schaffen, um Ländern zu helfen, die unterschiedlichen Situationen, in denen sie sich befinden, zu bewältigen, schuf es neue Auflagen in Bezug auf Defizite, Verschuldung und sogar die Strukturpolitik, die häufig auf diskreditierten wirtschaftlichen und politischen Theorien beruhten.
Der Euro sollte gemeinsamen Wohlstand schaffen und so die Solidarität steigern und das Ziel der europäischen Integration fördern. Tatsächlich hat er das Gegenteil bewirkt: Er hat das Wachstum verlangsamt und Uneinigkeit gesät. […]
Wir haben den ersten und zweiten Akt dieses Schauspiels schon viele Male gesehen. Eine neue Regierung wird gewählt, die verspricht, besser mit den Deutschen zu verhandeln, um die Sparpolitik zu beenden und ein vernünftigeres Programm von Strukturreformen zu entwickeln. Wenn sich Deutschland überhaupt bewegt, dann nie genug, um den wirtschaftlichen Kurs zu ändern. Die deutschenfeindliche Stimmung nimmt zu, und jede Regierung, egal ob gemäßigt links oder gemäßigt rechts, die die Notwendigkeit von Reformen andeutet, wird aus dem Amt gejagt. Protestparteien legen zu. Es kommt zum Stillstand.”1

(Joseph E. Stiglitz, US-Ökonom, ehemaliger Vizepräsident und Chefökonom der Weltbank – Ist der Euro noch zu retten?, IPG-Journal, 22.6.2018)

  1. Anm. JJ: Der desolate Zustand der Europäischen Union in Hinblick auf den Umgang mit Geflüchteten, der gekennzeichnet ist durch mangelnde Kooperation untereinander, Abwertung und Abschottung gegenüber schwächeren Gruppen, sowie die Aufgabe jener Werte, mit denen man sich doch eigentlich so gern schmücken wollte, ist im Grunde nichts anderes als die Übertragung einer rabiaten Handlungslogik, die auf ökonomischer Ebene schon lange so besteht, seit der Finanzkrise jedoch schamlos sichtbar wurde. Wer Konkurrenz, Selbsterhöhung, Zwang und Entbehrung über Ländergrenzen hinweg sät, wird diese in den Herzen auch auf allen anderen Feldern ernten. []

Jascha Jaworski

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