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Friedrich Merz – Die Gelegenheit für einen wirklich sozialen und demokratischen Gegenentwurf

Nachdem nun die parteipolitische Landschaft auch auf der Insel der Exportglückseligen nicht zuletzt nach Hessen- und Bayernwahl gewaltig ins Rutschen geraten ist und die volksparteiliche Konsensfabrikation mit ihren Irreführungsbegriffen (“die Mitte”, “Verantwortung übernehmen”, “Stabilität” etc.) nicht mehr so problemlos gelingen will, wie dies die vielen Jahre zuvor der Fall war, besteht immerhin die Chance, dass endlich jene Widersprüche aufgearbeitet werden, die bislang unter der bleiernen Decke großkoalitionärer “Regierungsverantwortung” konserviert wurden. Die Agenda 2010 und ihre damalige mediale Begleitmusik, die das soziale Klima hierzulande vergiftete, scheint mittlerweile voll eingepreist in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Aufarbeiten? Wo kämen wir dahin! Wir waren doch erfolgreich! Und so heißt es seit langem auch, nur noch kleine Stellschräubchen zu drehen, eine Politik eben “mit Augenmaß”, in einem Land “in dem wir gut und gerne Leben” (CDU). All das, durch das viele der Betroffenen unheimlich frustriert wurden, indem ihre Lebenswirklichkeit aus der öffentlich konstruierten Erfolgssphäre einfach ausgeklammert und mit warmen Worten versehen wurde, könnte nun endlich an sein Ende gekommen sein. Keine “Stabilität” und keine “Politik mit Augenmaß” mehr als Chiffre für ein “Weiter so”. Es besteht nun zumindest die Chance auf eine gesellschaftliche Debatte, die klare Gegenentwürfe wieder aufleben lässt. Sozialabbau, Ungleichheitsanstieg und die “marktkonforme Demokratie” sind eben keine Fragen der technischen Umsetzung auf einem unvermeidlichen Kurs in die “Modernisierung”, es sind politische Grundsatzfragen, die davon handeln, welche Interessen, Wertvorstellungen und Weltbilder sich durchsetzen.

Mit dem BlackRocker Friedrich Merz würde der Konservativismus im Dienste des “großen Geschäfts” endlich wieder ein unmissverständliches Gesicht erhalten. Kein schönes, kein – unter dem Fokus sozialer Gerechtigkeit – wünschenswertes, aber ein unmissverständliches. Auch wenn leitmediale Sympathien ihn von seinen Finanzkapitalverflechtungen frei zu sprechen suchen, viele Leute dürften mitbekommen, wohin die Reise gehen soll. Doch ob sie sich erheben, das hängt davon ab, ob auch die SPD bereit ist, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und – anstatt ihrer Verdampfung zuzuschauen – sich endlich wieder ernsthaft darum zu bemühen, Mehrheiten und Bündnisse eben für klare und glaubwürdige politische Gegenentwürfe zu schmieden, im Sinne nicht nur der Partei, sondern v.a. der Idee der Sozialdemorkatie. Kräfte, die die überfälligen personellen, inhaltlichen und organisatorischen Konsequenzen in der SPD ziehen wollen, gibt es ja.

Ein TV-Ausschnitt aus der nicht fernen Vergangenheit dürfte zur Wiederbelebung des sozialdemokratischen Gedankens hilfreich sein. In der damaligen Christiansen-Runde (einem Format, das für seine einschlägige Sprachrohrfunktion bekannt ist) wird deutlich, wie man als Politikerin oder Politiker zu argumentieren hätte, wenn man mit einer substanziellen Vorstellung sozialer Gerechtigkeit gegen den Kontrahenten mit Heimvorteil und seine Implantierung gesellschaftsvergiftender Bilder in die Köpfe der Menschen vorgehen wollte. Und dabei sitzen die Bilder tief (nach wie vor), die im Dienste der Oligarchie in der Agenda-Hochphase der 2000er Jahre gegen die besonders Benachteiligten ins Feld geführt wurden, um in Wahrheit damit große Teile der abhängig Beschäftigten selbst zu entrechten (was freilich sehr “erfolgreich” gelungen ist). Der achtminütige Ausschnitt ist wie ein Brennglas über jenem Konflikt, der die Unterwerfung der Sozialdemokratie unter das negative Menschenbild des neoliberalen Konservativismus bedeutete:

“Lafontaine vs. Merz: Hartz IV muss weg” (TV-Ausschnitt von 2005, eingestellt auf YouTube)

Und dessen Personifikation, Friedrich Merz, wurde nun also aus der Kühltruhe der Geschichte geholt, offenbar um den verheerend unsozialen und himmelschreiend ungerechten Status quo noch einmal auszubauen, wohin auch immer. Daher: Aufstehen, aufklären, aufarbeiten!

Jascha Jaworski

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