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No 415

“Die öffentliche Berichterstattung über das italienische Budget fokussiert sehr stark auf die Staatsverschuldung. Ein zentraler Aspekt findet dabei bislang zu wenig Beachtung, obwohl er von großer Bedeutung ist: Die ablehnende Haltung der Kommission gegenüber den Steuer- und Ausgabenplänen der italienischen Regierung fußt maßgeblich auf einer technokratischen Einschätzung der aktuellen Lage der italienischen Wirtschaft. Denn ExpertInnen der EU-Kommission schätzen auf Basis von Modellberechnungen, dass die italienische Wirtschaft im Moment nur minimal unterausgelastet sei: Für die Jahre 2019 und 2020 schätzt die EU-Kommission eine sogenannte >>Outputlücke<< von -0,3% bzw. -0,1% des BIP. Damit bestünde auch kein Spielraum, um über expansive Wirtschaftspolitik Wachstum und Beschäftigung in Italien anzukurbeln, ohne dadurch einen >>überhitzenden<< Arbeitsmarkt und steigende Inflation zu riskieren. Auch in ihren gestern veröffentlichten Empfehlungen bezieht sich die EU-Kommission explizit auf Einschätzungen, die auf der Outputlücke beruhen. […]
Das kontraproduktive Beharren der EU-Kommission auf einen Budgetkonsolidierungspfad, auf dem die Wirtschaftskrise offensichtlich nicht überwunden werden kann, während sich die realen Verschuldungsprobleme aufgrund des Deflationsdrucks weiter verschärfen, ist jedenfalls nicht geeignet, das Vertrauen der ItalienerInnen in die europäischen Institutionen zu stärken.”1

(Philipp Heimberger, österreichischer Ökonom – Welche Rolle spielt der >>Outputlücken-Nonsense<<?, Makronom, 6.6.2019)

  1. Anm. JJ: Nicht zu fassen, 10,9% Arbeitslosigkeit, über 30% Jugendarbeitslosigkeit und eine Inflationsrate von 1% in Italien und die EU-Kommission geht davon aus, dass die italienische Wirtschaft nahezu ausgelastet ist und ihr bei nachfrageseitigen Maßnahmen die “Überhitzung” droht. Sie verbietet also die einzige Möglichkeit zusätzliche Beschäftigung und zusätzliches Einkommen zu schaffen. Das ist die Ideologie, mit der Menschen für “strukturell arbeitslos” erklärt und damit abgeschrieben werden. Und wie sachlich berichten deutsche Medien einmal wieder darüber? O-Ton tagesschau.de: “Die EU-Kommission will hart gegen Italien und seine ausufernde Staatsverschuldung durchgreifen. Sollte das Land die Ausgaben nicht drastisch senken, droht ein Defizitverfahren mit Milliardenstrafen.” Wie Philipp Heimberger jedenfalls zeigt, der sich empirisch seit längerer Zeit mit den Konzepten dahinter auseinandersetzt, liegt die Argumentationsstärke jedenfalls nicht auf Seiten der EU-Kommission. Auch hier noch einmal der Hinweis auf “Die Anstalt” zum Themenfeld. Sowie auch eine Gesprächsrunde dazu, warum die mediale Berichterstattung (man möchte sagen “Durchreiche” im Dienste der Macht), so schlecht ist, wie sie ist. Siehe “>>Die Anstalt<< in Frankfurt: Haben Satireformate den klassischen Journalismus abgelöst?” []

Jascha Jaworski

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