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No 460

“Dabei ist gerade die Frage, wie insbesondere für Italien, aber auch für Spanien und andere besonders hart von der Krise getroffene Länder für die kommenden Jahre eine glaubwürdige Perspektive einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung eröffnet werden kann, für die Zukunft der Eurozone zentral. Die erforderliche Ergänzung des PEPP-Programms der EZB durch eine starke Antwort der europäischen Fiskalpolitik steht somit auch nach dem jüngsten Eurogruppen-Treffen weiterhin aus. […]
Die anhaltende Nachfrage- und Produktivitätsmisere Italiens ist jedoch auch eine Folge der Mängel der Institutionen und Regeln in der Eurozone. Während Italien seit dem Beitritt zum Euro keine maßgeschneiderte eigenständige Währungs- und Geldpolitik betreiben kann, um die wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, haben die restriktiven europäischen Fiskalregeln und Sparvorgaben der EU-Kommission (und der EZB) auch der nationalen Fiskalpolitik durch umstrittene technokratische Einschätzungen systematisch die Hände gebunden.
Die durch die Budgetkonsolidierungsmaßnahmen verstärkte negative Nachfrageentwicklung beförderte die italienische Wirtschaft in eine quasi permanent schwelende Rezession: Während die deutsche Wirtschaft in den Jahren 2010-2019 durchschnittlich real um 2,0% wuchs und die Eurozone jährlich um 1,4% zulegte, betrug das reale BIP-Wachstum im selben Zeitraum in Italien nur 0,2% – offenbar zur vollkommenen Überraschung von Institutionen wie dem IWF und der EU-Kommission, die die negativen Wachstumseffekte und Auswirkungen von fiskalischen Konsolidierungsmaßnahmen auf die Staatsfinanzen über Jahre hinweg systematisch unterschätzten. […]
Darauf zu hoffen, dass relativ klein dimensionierte wirtschaftspolitische Initiativen ausreichen werden, um die Eurozone in der Zeit nach dem Lockdown zusammenzuhalten, ist angesichts der Schwere dieser Krise ein gefährliches Spiel, das auch für die Bevölkerung in den Kernländern der Eurozone noch sehr hohe Schäden verursachen könnte.”1

(Philipp Heimberger, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche – Bestenfalls ein erster Schritt, Makronom, 10.4.2020)

  1. Anm. JJ: Die Eurozone ist eine Fehlkonstruktion, das sollte mittlerweile vielen klar geworden sein, zumindest in Kombination mit diesen Eliten. Man kann keinen gemeinsamen Konkurrenzraum schaffen, in dem es weder ein Wechselkursventil gibt, noch ökonomisch ausgleichende Transfers relevanter Größenordnung, in dem dann auch noch die Staaten der Peitsche der Finanzmärkte ausgeliefert sind. In guten Zeiten führt dies bereits zu schädlichem Steuer-, Sozial- und Lohnwettbewerb, in schlechten jedoch bedeutet es die Zerstörung der gemeinsamen Grundlage. Die EZB mit ihrer Spitze ist zwar über ihren Schatten gesprungen und hält die Kapitalmärkte erst einmal in Schach, die entscheidenden Eliten in Sachen Fiskalpolitik jedoch schotten sich in ihrer Welt von vorgestern ab und wollen nicht aus Erfahrungen lernen. P.S.: Philipp Heimberger ist ein junger Ökonom, der sich durch die nüchtern-analytische Entlarvung ideologischer Elemente wie der “strukturellen Defizite” in ihrer real existierenden Form sehr verdient macht. Man darf hoffen, dass noch mehr fähige und kritische Ökonom*innen aufkommen, die ihre Altvorderen beim Paradigmenwechsel “unterstützen”, was nach Thomas Kuhn (eigentlich Ludwick Fleck) zwar nicht darauf hinauslaufen wird, die Einstellung zu ändern, aber vielleicht doch zu einem frühzeitigeren Pensionseintritt zu ermuntern. []

Jascha Jaworski

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