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No 477

“Die Parteivorsitzenden scheiterten an den Grenzen ihrer eigenen Partei und nicht zuletzt an sich selbst. Das war bereits am holprigen Wahlkampf zu erkennen. Sie gewannen nicht aus eigener Stärke, sondern aufgrund der Schwäche der anderen. Danach versäumten sie es, eigene Unterstützerinnen und Unterstützer aus dem Wahlkampf mit in das Willy-Brandt-Haus zu holen und wichtige Positionen mit ihnen zu besetzen – oder gar eine Personalalternative zu Scholz für die Kanzlerkandidatur vorzubereiten. Sie konnten weder die Mehrheit der Basis, die sie ja sicher hatten, weiter mobilisieren noch programmatische Punkte setzen. Die Macht verteilte sich dezentral auf andere Personen in der Fraktion, der Regierung, dem Willy-Brandt-Haus. Nicht zuletzt wieder zurück auf Olaf Scholz, der nur ausharren musste, bis sich eine zweite Chance ergab. […]
Gemeinsam mit dem Noch-Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert geben sie sich jetzt der Illusion hin, mit Olaf Scholz gemeinsam einen linken Wahlkampf mit Zukunftsprogramm führen zu können. Kühnert bekräftigte die Lernfähigkeit von Olaf Scholz und verteidigte ihn insofern, als dass auch Scholz sich an das progressive Programm werde halten müssen. Doch das Grundproblem weiß er trotz rhetorischen Geschicks nicht aufzulösen: Olaf Scholz ist die fleischgewordene Agenda-Politik. Er ist der Inbegriff jenes technokratischen Führungsstils, der die SPD jahrzehntelang von innen heraus ausgehöhlt hat. Auch die Falken schreiben deshalb kritisch, dass Person und Programmatik für die notwendige Linkswende zusammenpassen müssen.”1 [1]

(Ines Schwerdtner, Autorin und Chefredakteurin von Jacobin (deutsche Ausgabe)  – Das war’s mit der Eskabolation [2], Jacobin, 13.8.2020)

  1. Verwiesen sei in dem Zusammenhang auch auf das SPD-Austrittsschreiben von Steve Hudson [3], dem halbzehn.fm [4] Kollegen von Ines Schwerdtner, sowie einen der engagiertesten politischen Aktivisten und Sozialdemokraten, die mir einfallen. Es macht einen zusätzlich traurig, mitzubekommen, wie jemand wie Steve nicht nur mit ansehen musste, wie die Labour Partei, die er so sehr unterstützte, an den vielfältigen Beharrungskräften der Etablierten (aber auch Fehlern in den eigenen Reihen) scheiterte, sondern wie nun auch der Versuch scheitert, aus der SPD wieder den glaubwürdigen Behälter der Sozialdemokratie zu machen. [ [5]]