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No 501

“Das ist, was sie jeden Tag tun [die Reichen und Mächtigen, Anm. JJ], sie kaufen und verkaufen, es ist ihnen egal, ob der Markt steigt oder fällt, sie verdienen Geld mit Volatilität […]. Ich denke, die größere Frage hier ist, wie wir unsere Wirtschaft gestalten wollen. Wollen wir Menschen, die Naturwissenschaften studieren, dazu anregen, Börsenalgorithmen zu schreiben, anstatt am Klimawandel zu arbeiten? Wollen wir, dass Menschen, die mit einem Doktorgrad abschließen, diese lukrativeren Jobs an der Wallt Street ausüben, um mehr Geld für die Reichen zu verdienen? Ich meine, schauen Sie, ich hatte das getan, als ich meinen Abschluss in Informatik gemacht hatte. Ich kann nicht sagen, dass ich es empfehlen würde, aber leider besteht die Art und Weise, wie wir unsere Gesellschaft mit Anreizen ausstatten und sie organisieren, mehr oder weniger darin, dass ein Teil der wirklich wundervollen Denkkraft darauf verwendet wird, herauszufinden, wie man Börsenalgorithmen für den Handel mit Optionen optimiert. Und ich denke, wenn wir einige dieser größeren, strukturelleren Dinge tun können, und das ist etwas, wie Sie wissen, Frau Kongressabgeordnete, das wir wohl gemeinsam haben… wenn wir Studierendenschulden erlassen können, wenn wir eine Vermögenssteuer haben können, wenn wir diese mächtigen Wall Street Akteure beschränken können, dann können wir hoffentlich damit beginnen, die Anreize in unserer Gesellschaft neu zu ordnen.”1

(Alexis Goldstein, ehemals an der Wall Street tätige Börsenexpertin – AOC talks about GameStop and Wall Street, YouTube-Kanal von TwitchVids, 29.1.2021, Übers. Maskenfall)

  1. Alexandra Ocasio-Cortez spricht hier mit Alexis Goldstein über die Vorgänge rund um GameStop. Wer die Story verpasst hat, kann sich z.B. in diesem Wiki-Artikel informieren, oder, wer es pathetischer mag, in diesem Artikel von Deniz Yücel, der politische Motive der Kleinanleger*innen dokumentiert. So fasziniert man darüber sein kann, dass die Großen und Mächtigen auf ihrem Terrain von den Kleinen eine Abreibung bekommen haben, im Hintergrund waren wiederum Große und Mächtige, die mit den Ereignissen Kasse machten, darunter BlackRock. Doch einmal mehr zeigt sich hier, um was für ein Kasino es sich bei den Finanzmärkten heutzutage handelt. Da sind die Kleinanleger*innen, die sich partout nicht wie der homo oeconomicus verhalten wollen und ihre Aktien weiter halten, um etablierten Systemspielern eins auszuwischen, noch der wohl einzig sympathische Ausdruck. Aktienkurse, die sich seit Jahrzehnten von der realwirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt haben und – wie in der Coronakrise gesehen – explodierten, während zeitgleich in den USA Millionen Menschen ihre Arbeit verloren, gigantische Kursschwankungen, die, wenn, dann nur durch “Fundamentalwerte” aus einer surrealen Parallelwelt beeinflusst sein können, und Finanzkrisen, die millionenfach Existenzen vernichteten, zeigen hingegen, was passiert, wenn mächtige Interessen gehüllt in jede Menge wissenschaftlich verbrämte Ideologie auf politische Entscheidungsträger*innen stoßen, die sich wie Kinder vom schillernden Illusionstheater beeinflussen lassen und immer noch glauben, dass sie durch die fortschreitende Vergrößerung der Bühne eine gesellschaftlich besonders wertvolle Kunstform fördern. []

Jascha Jaworski

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