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No 538

“Preise für den öffentlichen Personennahverkehr steigen selbst dort, wo Bus- und Bahnfahrpläne ausgedünnt oder Haltestellen aufgegeben werden. Mehr als 1.000 kommunale Badeanstalten wurden in den vergangenen zehn Jahren geschlossen, obwohl sich finanzschwache Familien den Besuch privat betriebener >>Spaßbäder<< vielfach nicht mehr leisten können. Die Schließung von Postfilialen, die Ausdünnung der Zustellungsintervalle und die regelmäßige Anhebung des Briefportos bemängeln selbst Politikerinnen und Politiker, die sonst auf den Markt als Allheilmittel für wirtschaftliche Prosperität und gesellschaftlichen Fortschritt setzen.
Seit der Privatisierung der Altersvorsorge à la Riester und Rürup grassiert selbst in der Mittelschicht die Sorge, dass man seinen Lebensstandard im Ruhestand nicht wird aufrechterhalten können. Die Privatisierung des Mauterhebungsunternehmens Toll Collect, deren Scheitern den Bund knapp eine Milliarde Euro kosten dürfte, dokumentiert die mit zahlreichen Privatisierungen verbundenen volkswirtschaftlichen Flurschäden ebenso wie die unter dem Dach der Tank & Rast GmbH gebündelten Autobahnraststätten. Während Sanifair – und damit unter anderem der Staatsfonds von Abu Dhabi – mit unseren Toilettenbesuchen Millionen erwirtschaftet, fährt der Bund durch den Bau und die Erhaltung der Park- und Rastplätze entlang der Autobahnen jährlich millionenschwere Verluste ein.
Darf man trotz dieser seit Jahren offenkundigen Kehrseiten der Privatisierungspolitik glauben, dass sich nun breiter öffentlicher Unmut regen wird, weil wir in der Coronapandemie gelernt haben, was es heißt, wenn an die Stelle einer an den Patientenbedürfnissen orientierten Gesundheitsversorgung eine an betriebswirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Gesundheitsökonomie tritt? Wohl kaum.”

(Tim Engartner, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler – Entprivatisiert euch! [1], der Freitag, 12.10.2021)