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No 545

“Na super! Ausgerechnet eine von einem SPD-Kanzler geführte Regierung unterstellt nicht nur der Kapitaldeckung der Renten eine Nachhaltigkeit, die sie nachweislich nicht hat. Sie spricht damit auch der solidarischen Umlagefinanzierung der Renten das Misstrauen aus, die zu den großen historischen Verdiensten der SPD zählt. Sie verleugnet mal wieder ihre sozialpolitische Tradition und sitzt der verbreiteten Illusion auf, dass Ansparsysteme >>demografieresistent<< sind.
Hinter der Vorstellung, der Kapitalmarkt sei ein volkswirtschaftliches Sparbuch, mit dem Leistungen von morgen bereits heute bezahlt werden können, steht eine empfindliche Bildungslücke in der Makroökonomie. Die Altersrenten müssen immer von der aktuellen Wertschöpfung getragen werden, egal ob sie auf dem Umlageverfahren oder der Kapitaldeckung beruhen. Beide Systeme bieten Ansprüche auf Leistungen, die von den nachwachsenden Generationen erwirtschaftet werden müssen. […]
Zudem will die Ampel-Koalition den mit 10 Milliarden Euro subventionierten Kapitalstock der Deutschen Rentenversicherung auch nicht in nachhaltige nationale Projekte etwa für den Klimaschutz stecken, sondern auf dem globalen Börsenparkett anlegen, einem dezidiert spekulationsgetriebenen Terrain. Welche Konsequenzen das haben kann, haben Gerhard Bäcker und Ernst Kistler1 [1] in einem Dossier der Bundeszentrale für politische Aufklärung anhand des Zusammenbruchs der globalen Finanzmärkte 2008-2009 gezeigt. Der hat weltweit ein Viertel des Vermögens von Pensionsfonds vernichtet.
Die Finanzmarktakteure haben keine (makro-)ökonomisch fundierten Strategien, sondern schauen darauf, was die Konkurrenten machen. Scharen von Mathe-Nerds konstruieren Finanzprodukte mit Algorithmen, die sich allein aus den Bewegungen des Finanzmarktes ableiten. In diesem selbstreferenziellen System schaukelt man sich gegenseitig hoch oder fällt in kollektive Panik, wie der Ökonom Hyman P. Minsky schon in den 1980er Jahren zeigte.
Der >>Minsky-Zyklus<< zwingt zu regelmäßigen Staatseingriffen, um die Finanzmarktkrisen einzudämmen und die Realwirtschaft so gut es geht von dessen Folgen zu verschonen. Haben die SPD und die Grünen wirklich vergessen, dass die Finanzwirtschaft den Crash 2008/2009 nur mit enormen Subventionen überleben konnte?”

(Hartmut Reiners, Gesundheitsökonom und Publizist – Weiße Salbe, große Holzwege und kleine Schritte [2], Makroskop, 30.11.2021)

  1. Anm. JJ: Siehe “Kapitalmarktfundierung und Finanzkrise” [3] [ [4]]