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No 567

“>>Wenn es zu verhindern gilt, dass die Welt auf eine Katastrophe zusteuert, kann nur eine politische Lösung den Frieden wiederherstellen.<< Das Zitat stammt aus einer Rede, die der französische Staatspräsident Charles de Gaulle am 1. September 1966 in Phnom Penh gegen die US-Militärintervention in Vietnam hielt. De Gaulle warb damals für ein Abkommen, das >>die Neutralität der Völker Indochinas wie auch deren Selbstbestimmungsrecht gewährleisten sollte<<. De Gaulle skizzierte damals eine Lösung, die der Region neun weitere Kriegsjahre erspart hätte. […]
Kurz vor der russischen Invasion in die Ukraine traf Micheline Calmy-Rey, ehemalige Bundespräsidentin der Schweiz und frühere Vorsitzende des Europarats, eine angesichts des drohenden Krieges ziemlich kühne Feststellung: Um den Werten, die sie verkündet, gerecht zu werden und strategisch Autonomie zu erlangen, müsse die EU eine >>neutrale und blockfreie<< Macht werden, >>unabhängig und gewaltfrei zwischen den Blöcken<<.
Eine aktive Neutralität wäre in den Augen von Calmy-Rey der ideale Weg, um die Interessen aller Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen – ein schwieriges Unterfangen, das in der Födera­tion der schweizerischen Kantone aber gelungen sei: >>Eine politische und militärische Macht zu werden, würde es der Europäischen Union erlauben, sich nicht dem einen oder anderen Block zu unterwerfen, dem Druck besser standzuhalten, nicht alles hinnehmen zu müssen, nicht in rhetorischen Beschwichtigungsformeln zu versinken, sich nicht auf eine passive und unbewegliche Haltung zu beschränken.<<
Unter diesem Vorzeichen könnte man dem ukrainischen Willen, der EU beizutreten, leichter entsprechen. Und selbst eine Kandidatur der Schweiz wäre nicht mehr undenkbar.”

(Philippe Descamps, Journalist – Neutralität, eine Waffe für den Frieden [1], Le Monde diplomatique, 7.4.2022)