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No 578

“Deutsche Ökonomen begrüßen angesichts der hohen Inflation mehrheitlich die bevorstehende Zinswende der EZB und die Drosselung ihrer Ankaufprogramme von Staatsanleihen. Gleichzeitig wächst die Sorge vor einer neuen Eurokrise. Jedoch überzeugen weder ihre Analysen noch ihre Handlungsempfehlungen. […]
Die hiesige Diskussion über die gestiegene Inflation und die Gefahr einer erneuten Eurokrise weist einmal mehr die typischen Denkfehler auf. Weder die Analysen noch die Handlungsempfehlungen können überzeugen.
Dies betrifft zum einen die Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation: Es herrscht große Einigkeit, dass ein mechanistisches Gegensteuern erforderlich ist: Steigt die Inflation, müssen die Zinsen angehoben werden. Üblicherweise lautet die Argumentation, dass die Zinssätze eine wichtige Rolle für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage spielten: Steigende Zinssätze verteuerten die Kreditaufnahme und verstärkten den Anreiz zum Sparen. Wenn als Folge weniger Waren und Dienstleistungen gekauft würden, komme es zu einer Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und damit der Preisentwicklung.
Nun wird aber der gegenwärtige Inflationsdruck nicht durch einen Nachfrageüberhang bei normaler Kapazitätsauslastung auf der Angebotsseite verursacht, sondern er ist auf der Angebotsseite der Volkswirtschaft – also durch angebotsseitige Faktoren – entstanden. Zinserhöhungen aber taugen nicht als Mittel gegen eine Inflation, die auf Störungen und Einschränkungen auf der Angebotsseite zurückzuführen ist.
Was sollen höhere Zinssätze gegen angebotsseitige Probleme wie beispielsweise Lieferengpässe bei Vorleistungsgütern, gestiegene Energiepreise, ungleichzeitige Lockdowns mit massiven Behinderungen des Warentransports, Verzögerungen bei der Verschiffung von Waren, die Preissetzungsmacht dominierender Unternehmen, Spekulationen an den Finanzmärkten oder den Krieg in der Ukraine ausrichten? Zinsanhebungen werden nicht zu mehr Fahrzeugen, mehr Erdgas, mehr Heizöl, mehr Kraftstoffen oder mehr Nahrungsmitteln führen.”

(Günther Grunert, Sozioökonom und Autor bei Makroskop – Von >>falschen<< und >>richtigen<< Spreads, Makroskop, 21.7.2022)

Jascha Jaworski

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