- Maskenfall - https://www.maskenfall.de - Logo

No 588

“Was im öffentlichen und politischen Diskurs oft völlig untergeht, ist die Tatsache, dass der italienische Staat seit den frühen 1990er-Jahren absoluter Rekordsparer ist. Italien hat im Vergleich mit anderen Industrieländern mit Abstand die umfangreichsten Sparpakete umgesetzt. Gemessen am staatlichen Primärsaldo (Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen) war das italienische Budget seit 1992 – mit Ausnahme des Finanzkrisenjahres 2009 und des Corona-Krisenjahres 2020 – immer im Plus. […]
Die aktuelle Forschung zeigt, dass der Sparkurs, der durch die Bindung an die europäischen Regeln und Kriterien gefördert wurde, zur Stagnation der italienischen Wirtschaft beigetragen hat. Eine Erklärung dafür ist u.a., dass die Bindung an die europäischen Budgetregeln die Inlandsnachfrage in Italien und damit auch das Wirtschaftswachstum reduziert hat. […]
Ob Italien nach der Covid-19-Krise wirtschaftlich an Fahrt gewinnen kann, wird nicht zuletzt von der Bereitschaft Österreichs und anderer EU-Länder zu institutionellen Reformen abhängen – insbesondere im Hinblick auf die Budgetregeln.
Diese müssen so angepasst werden, dass italienische Regierungen in Zukunft nicht auf einen kontraproduktiven Sparkurs gezwungen werden, der die Wirtschaft weiter schwächt und wichtige Zukunftsinvestitionen verhindert. Darüber hinaus braucht es eine Diskussion über Anpassungen der Industriepolitik in Europa, die auch abgehängte Regionen – wie etwa im Süden Italiens – strategisch in die Wertschöpfungsketten integriert, während strukturelle wirtschaftliche Veränderungen im Hinblick auf die Bewältigung von Klimawandel und Digitalisierung gefördert werden. Mythen über Italien werden in Medien und Politik immer wieder recycelt, obwohl diese Mythen durch einige grundlegende Daten relativ einfach widerlegbar sind.”

(Philipp Heimberger, österreichischer Ökonom – Verschwenderisches, reformfaules Italien? Warum gängige Mythen falsch und gefährlich sind [1], Marie Jahoda – Otto Bauer Institut, 27.5.2021)