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No 590

“Es gibt einen berechtigten Zorn im Westen gegen Putin, aber trotzdem und gerade deswegen ist es wichtig, kühlen Kopf zu behalten. Wenn der Krieg weiter eskaliert, wenn der Einsatz von Nuklearwaffen sich realisiert – dann sind die letzten Dinge schlimmer als die ersten. Der Ukraine-Krieg ist kein Computerspiel und kein Blockbuster; die atomare Gefahr ist konkret. Sie wird nicht von Leopard-Panzern abgewendet, sondern durch Verhandlungen. Es ist eine Menschheitserfahrung, dass Frieden gestiftet werden muss. Wo sind die Stifter? Das Stiften beginnt mit Reden; und es darf nicht sein, dass Reden als von vornherein sinnlos erachtet wird. Ist es sinnvoller, den Krieg bis zum Platzen zu füttern?
Die dramatische Lage wird nicht dadurch entschärft, dass Diplomatie zum Unwort erklärt wird – wie es die wirrköpfige Twitter-Notiz von Minister Lauterbach und die Erklärungen des ukrainischen Noch-Botschafters Melnyk getan haben. Lauterbach hat geschrieben: >>Was sollen denn jetzt Kniefälle vor Putin bringen? Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten. Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden. Ob das Putins Psyche verkraftet, ist egal<<. Soweit Lauterbachs dumme Twitterei. Nur den Satz >>wir sind im Krieg mit Putin<< hat Lauterbach zurückgenommen, alles andere nicht. Man würde sich wünschen, sein verstorbener Parteifreund Egon Bahr könnte Lauterbach die Leviten lesen.”

(Heribert Prantl, Kolumnist und Autor – Kommentar: Krieg in der Ukraine – Zeitenwende oder Zeitenende [1], NDR, 9.10.2022)