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No 592

“Die Ausführungen der Bundesregierung sind unmissverständlich: Dass eine >>gesunderhaltende Ernährung<< mit Hartz IV nicht möglich sei, will sie nicht bestätigen. Einen >>informierten, preisbewussten Einkauf<< vorausgesetzt, sei gesundes Essen auch mit wenig Geld >>grundsätzlich<< drin. So argumentiert die Bundesregierung am 6. Oktober in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken. Zum Beleg verweist das federführende Bundesernährungsministerium auf das Gutachten seines wissenschaftlichen Beirats von 2020.
Allerdings lässt sich auch dieses Gutachten schwerlich missverstehen: Es belegt das glatte Gegenteil. Schon lange vor der Rekord-Inflation rechneten darin 18 namhafte Wissenschaftler:innen vor, dass eine deutliche >>Deckungslücke<< zwischen Hartz IV und den Kosten einer gesunden Ernährung besteht. Sie fordern deshalb eine >>erhebliche<< Erhöhung der Regelsätze. Bisher dagegen seien zusätzliche Ressourcen wie angesparte Vermögen oder Unterstützung durch Freunde nötig, damit sich Hartz-IV-Empfänger zumindest >>theoretisch<< eine gesunde Ernährung leisten können. […]
Harald Grethe kommentierte das süffisant: >>Wir leben realweltlich, nicht theoretisch<<, so der Agrarwissenschaftler. Er hatte dem Beirat vorgesessen, als dieser das Gutachten veröffentlichte. Realweltlich aber besteht aus seiner Sicht nun mal ein >>materiell deutlich eingeschränkter Handlungsspielraum<< für Menschen in Armut – im Gutachten heißt es: >>Auch in Deutschland gibt es armutsbedingte Mangelernährung und teils auch Hunger.<< Grethes Fazit: >>Die Bundesregierung gibt den Wissenschaftlichen Beirat nicht korrekt wieder.<<“

(Martin Rücker, Journalist – Ernährung: Wie gelingt gesunde Verpflegung trotz Hartz IV?, Frankfurter Rundschau, 24.10.2022)

Jascha Jaworski

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