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No 605

“Vor nunmehr fast einem Jahr überfiel Russland die Ukraine. Es ist ein Konflikt mit einer langen und komplizierten Vorgeschichte. Es war ein Wendepunkt. Auch, weil seither Diplomatie zu einem Schimpfwort geworden ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stand die Tage unter Dauerfeuer – insbesondere seiner Koalitionspartner von Grünen und FDP sowie einiger Abgeordneter des Seeheimer Kreises in der eigenen Fraktion, der seit jeher eine große Nähe zur Rüstungsindustrie pflegt. Der Grund: Scholz wollte der Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 nicht zustimmen, bevor nicht auch die USA eigene Kampfpanzer lieferten. […]
Denn kein Tag vergeht in Deutschland, ohne dass etwa die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Frau Strack-Zimmermann (FDP), oder der neue grüne >>Panzer-Grenadier<< Anton Hofreiter (Grüne) unter dem Beifall irgendeines Leitartiklers mehr Waffen für die Ukraine fordern.
Bei Frau Strack-Zimmermann gehört es vermutlich zur Aufgabenbeschreibung, als Lobbyistin immer mehr Rüstungstechnik vom Fließband rollen zu lassen. Schließlich ist sie Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer. Die Rüstungsschmiede Rheinmetall sitzt in ihrem Wahlkreis. […]
Aber eine jüngere Episode zeigt doch, wie maßgebliche Akteure in Politik und Medien die Debattenkultur vergiften. Ein Teil der Öffentlichkeit scheint verrückt geworden zu sein. Oder ist es Kalkül? Wird das Risiko eines Dritten Weltkrieges hinter dem Smartphone nicht mehr wahrgenommen?
Anders lässt sich die Unfähigkeit zur Reflexion des eigenen Verhaltens nicht mehr erklären. Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, beschimpfte etwa SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich als „zynischsten und widerlichsten deutschen Politiker“, der für immer als Russlands wertvollstes Asset in die Geschichte eingehen würde. Was hatte Mützenich getan? Er hatte lediglich davor gewarnt, dass Deutschland gegenüber einer Nuklearmacht keine Alleingänge machen sollte. Er hatte darauf hingewiesen, dass jene, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern forderten, morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien würden. […]”

(Fabio De Masi, ehem. Europa- und Bundestagsabgeordneter und kritischer Geist – Ukraine Krieg: Deutschlands Hobbygeneräle, Berliner Zeitung, 27.1.2023)

Jascha Jaworski

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