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No 607

“Am 5. März 2022 flog Bennett dann auf Einladung Putins in einem privaten, vom israelischen Geheimdienst bereitgestellten Jet nach Moskau. In dem Gespräch im Kreml habe Putin, so Bennett, einige substanzielle Zugeständnisse gemacht, insbesondere habe er auf sein ursprüngliches Kriegsziel einer Demilitarisierung der Ukraine verzichtet.
Bennett fragte Putin, ob er vorhabe, Selenskyj zu töten. Putin sicherte ihm ausdrücklich zu, das nicht zu tun. Auf seiner Rückreise rief Bennett Selenskyj an und teilte ihm das Ergebnis mit. Der ukrainische Präsident erklärte sich im Gegenzug bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten – eine Position, die er kurze Zeit später auch öffentlich wiederholte. Damit war eines der entscheidenden Hindernisse für einen Waffenstillstand aus dem Weg geräumt. […]
Auch andere Themen wie die Zukunft des Donbass und der Krim sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien in diesen Tagen Gegenstand von intensiven Gesprächen gewesen. Bennett wörtlich: »Ich hatte damals den Eindruck, dass beide Seiten großes Interesse an einem Waffenstillstand hatten.«
Bennett flog daraufhin zunächst nach Deutschland, um mit Bundeskanzler Scholz zu sprechen, anschließend unterrichtete er den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, den britischen Premier Boris Johnson sowie die amerikanische Regierung. Boris Johnson habe damals die »aggressive« Position vertreten, dass »man Putin weiter bekämpfen müsse«, wogegen Scholz und Macron eher pragmatisch eingestellt waren. In der US-Regierung seien beide Positionen vertreten gewesen.
In den folgenden Tagen habe es weitere intensive Diplomatie mit den Kriegsparteien gegeben. Bennett habe seine Bemühungen dabei »bis ins kleinste Detail mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt«. Auf die Frage, ob die westlichen Verbündeten die Initiative letztlich blockiert hätten, antwortete Bennett: »Im Grunde genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten unrecht.« Sein Fazit: »Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten.«”1

(Fabian Scheidler, freier Autor – Naftali Bennett wollte den Frieden zwischen Ukraine und Russland: Wer hat blockiert?, Berliner Zeitung, 6.2.2023)

  1. Anm. JJ: Ich kann mir die Abwehrhaltung vieler in Hinblick auf die Möglichkeit, durch gegenseitige Zugeständnisse den weiteren Krieg zu verhindern, durchaus vorstellen. Wer rein moralisch auf die außenpolitischen Ereignisse zwischen der Ukraine und Russland schaut, kann natürlich nur zu dem Schluss kommen, dass man dem Aggressor, der ungerechtfertigt und hochgradig völkerrechtswidrig handelt, nicht entgegen kommen darf, wo kämen wir da hin?! Gleichwohl, neben der Moral gibt es so etwas wie die realen Verhältnisse, mit all den Interessen und Machtmitteln, die seit jeher eine Rolle bei Krieg und Frieden spielten. Bezieht man dies mit ein, und bedenkt, wie wohl eine “Lösung” aussehen soll, die keine Verhandlungslösung ist, sondern ein “Sieg” der Ukraine über die aktuell rücksichtslos und entschlossen agierende Atommacht Russland, kann man hingegen auch aus ethischer Sicht zu dem klaren Ergebnis kommen, dass alle Kraftanstrengungen auf einen Waffenstillstand und Interessenausgleich gelegt werden sollten, auch, wenn sich dies fürchterlich ungerecht anfühlt. Außenpolitik war selten eine Sache der Gerechtigkeit. Dass man jetzt so tut, als wäre dies ganz anders, scheint eher etwas mit den Interessen bei einigen der westlichen Akteure zu tun zu haben. Naftalie Bennett zeigt mit seinen Schilderungen auf, wie schon zu einem frühen Zeitpunkt vielversprechende Wege mutwillig verbaut worden sind. Erschreckend, bedenkt man all die Opfer. Und ja, besonders erschreckend, wie Russlands Führung und Militär diese Opfer auf beiden Seiten einfach herbeiführen. Doch liegt das eben nicht unmittelbar in den westlichen Möglichkeiten. Interessenausgleich hingegen schon. []

Jascha Jaworski

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