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No 622

“Es ist eine exakte Neuauflage der Debatte, die die Eurokrise der 2010er Jahre beherrschte. Schon damals bestanden Deutschland und die EU nach der Lockerung der Haushaltsregeln, um die massive Rettung des Bankensystems zu ermöglichen, darauf, dass es keine Alternative zur Auferlegung harter fiskalischer Sparmaßnahmen für die große Mehrheit der europäischen Länder geben dürfe, insbesondere nicht für die Länder der Peripherie.
Diese Politik hat nicht nur die Arbeitslosigkeit in die Höhe getrieben, den Sozialstaat ausgehöhlt, große Teile der Bevölkerung an den Rand der Armut gedrängt und im Falle Griechenlands und anderer Länder eine echte humanitäre Notlage heraufbeschworen – sie hat auch ihr erklärtes Ziel völlig verfehlt: das Wachstum anzukurbeln und die Verschuldung im Verhältnis zum BIP zu senken. Im Gegenteil, die Austerität hat die Volkswirtschaften in die Rezession getrieben und die Verschuldung im Verhältnis zum BIP erhöht. In der Zwischenzeit wurden die demokratischen Normen drastisch umgestoßen, da ganze Länder im Wesentlichen unter >>kontrollierte Verwaltung<< gestellt wurden. Das Ergebnis war ein >>verlorenes Jahrzehnt<< der Stagnation und Permakrise, welches zu einer tiefen Kluft zwischen dem Norden und dem Süden der Eurozone führte und die Währungsunion an den Rand der Selbstzerstörung brachte. […]
Es ist jedoch kaum vorstellbar, wie Europa eine zweite Runde der Sparpolitik überleben könnte. Die Weltwirtschaft befindet sich in einem weitaus düsteren Zustand als noch vor einem Jahrzehnt: Der Kontinent ist mit einer hohen Inflation, Unterbrechungen der Versorgungsketten, einer globalen Fragmentierung und einem Krieg an Europas Grenze zu Russland konfrontiert, dessen Ende nicht absehbar ist.
Und hier liegt auch das größte Paradoxon der gegenwärtigen Situation: Während die EU einen Plan ausarbeitet, um die Staaten dazu zu bringen, ihre Gesamthaushalte zu kürzen, fordert sie gleichzeitig die Regierungen auf, ihre Verteidigungshaushalte auf mindestens 2 Prozent des BIP zu erhöhen, um das Ausgabenziel der Nato einzuhalten. […]
Die europäischen Länder werden bald gezwungen sein, Sozialleistungen und wichtige Investitionen in nicht verteidigungsrelevanten Bereichen zu kürzen, um die neue Verteidigungswirtschaft der EU zu finanzieren.”

(Thomas Fazi, Journalist und Autor – Der Aufstieg der militärischen Austerität in Europa, Makroskop, 24.5.2023)

Jascha Jaworski

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