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No 623

“Die Wirtschaftshistorikerin Clara E. Mattei geht in ihrem Werk The Capital Order (2022) den Ursprüngen und der Logik der Austeritätspolitik nach und zeigt auf, wie die Austerität in Reaktion auf revolutionäre Tendenzen in der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstand. Während des Krieges verleiteten materielle Sachzwänge alle Kriegsparteien dazu, ihre Wirtschaft von einer Markt- zu einer Planwirtschaft umzustellen, in der nicht mehr für den Profit, sondern für den Sieg produziert wurde.
Mit der erfolgreichen Verstaatlichung von Schlüsselindustrien zeigte sich in vielen Ländern, dass zwei der tragenden Säulen des Kapitalismus – das Privateigentum über die Produktionsmittel und das System der Lohnarbeit – entbehrlich oder sogar einer effizienten Produktion hinderlich waren. >>Die Wirtschaft<< verlor jeglichen Anschein der Autonomie und Naturgesetzlichkeit und entpuppte sich als das, was sie eigentlich schon immer gewesen war: ein weites Feld politischer Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Erfahrung, dass kapitalistische Institutionen optional waren, beförderte in der vom Krieg gebeutelten Arbeiterklasse die Forderung, nicht einfach wieder zum Vorkriegszustand zurückzukehren.[…]
Seit nunmehr hundert Jahren folgt die Austeritätspolitik dem gleichen Schema: Nach einem wirtschaftspolitischen Ausnahmezustand, der weitreichende staatliche Eingriffe in den Markt erfordert, muss die Illusion von Politik und Ökonomie als abgetrennte Sphären wieder aufgebaut werden. […]
Die Priorisierung eines ausgeglichenen Haushalts und die Bekämpfung der Inflation auf Kosten des Beschäftigungs- und Lohnwachstums erfolgt nicht wider besseren Wissens, sondern muss als Klassenkampf von oben erkannt werden.”

(Max Hauser, Ökonom – Austerität ist Klassen­kampf von oben, Jacobin, 2.6.2023)

Jascha Jaworski

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