“Denn der europäische Asyl->>Kompromiss<< zielt ebenso eindeutig wie einseitig auf die Abschottung gegen unerwünschte Migration – und ähnelt auf bemerkenswerte Weise Seehofers Vorschlägen zur Errichtung von >>Transitzentren<< aus dem Jahr 2018. Die Inhaftierung von Migrant*innen direkt an der Grenze, das war ein politisches Projekt, das die damalige schwarz-rote Regierung beinahe zerrissen hätte. Zehntausende gingen gegen diese Asylpolitik auf die Straße, allein in Bayern, über 200.000 waren es in Berlin bei der unteilbar-Demonstration. Die CSU greift das Asylrecht an? Das provozierte den Widerstand des grün-liberalen Milieus.
Jetzt, unter einer rot-grün-liberalen Regierung, kommt alles so, wie es sich die parlamentarische Rechte schon lange wünscht: beschleunigte und von Rechtsschutzauflagen praktisch gänzlich befreite Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, in die all jene Personen einbezogen werden, die wegen der restriktiven Anerkennungsentscheidungen der Mitgliedsstaaten nur >>geringe Aussicht auf Schutz<< haben. […]
Baerbock bezeichnet dies mit einer marktgängigen Politfloskel als >>schmerzhaften Kompromiss<< – was hier offen perfide Züge annimmt, wird doch suggeriert, dass das eigentliche Leid dem grünen Spitzenpersonal zugefügt werde. >>Regierungsverantwortung zu tragen bedeutet für mich, sich solchen Dilemmata zu stellen<< – und zwar offensichtlich auf die Weise, sie zugunsten der Volksseele und zulasten der Humanität aufzulösen. […]”
(Stephan Lessenich, Soziologe und Politiker – Inhumanes Asylrecht, Katar-Gas – Hartz IV: Das können nur die Grünen, der Freitag, 14.6.2023)