“51. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof eine Reihe von Aussagen hochrangiger israelischer Amtsträger zur Kenntnis genommen. Dabei wird insbesondere auf die folgenden Beispiele hingewiesen.
52. Am 9. Oktober 2023 gab Herr Yoav Gallant, Verteidigungsminister Israels, bekannt, dass er eine >>vollständige Belagerung<< von Gaza-Stadt angeordnet habe und dass es >>keinen Strom, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff<< geben werde und dass >>alles geschlossen<< sei. Am folgenden Tag erklärte Minister Gallant im Gespräch mit israelischen Truppen an der Grenze zum Gazastreifen:
>>Ich habe alle Beschränkungen aufgehoben. . . Sie haben gesehen, wogegen wir kämpfen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere. Das ist der ISIS von Gaza. Dagegen kämpfen wir. . . Gaza wird nicht zu dem zurückkehren, was es vorher war. Es wird keine Hamas geben. Wir werden alles beseitigen. Wenn es nicht einen Tag dauert, dauert es eine Woche, es wird Wochen oder sogar Monate dauern, wir werden alle Orte erreichen.<<
Am 12. Oktober 2023 erklärte der israelische Präsident Isaac Herzog mit Bezug auf Gaza: >>Wir arbeiten und operieren militärisch nach den Regeln des Völkerrechts. Eindeutig. Es ist eine ganze Nation da draußen, die dafür verantwortlich ist. Diese Rhetorik über Zivilisten, die nichts davon wissen und nicht involviert sind, stimmt nicht. Es ist absolut nicht wahr. […]<<
[…]
78. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass Israel im Hinblick auf die oben beschriebene Situation gemäß seinen Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention in Bezug auf die Palästinenser in Gaza alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen ergreifen muss, um die Begehung aller Handlungen im Rahmen des Geltungsbereichs von Artikel II dieses Übereinkommens im Gazastreifen zu verhindern, im Einzelnen: (a) die Tötung von Mitgliedern der Gruppe; (b) den Mitgliedern der Gruppe schwere körperliche oder geistige Schäden zuzufügen; (c) der Gruppe absichtlich Lebensbedingungen aufzuerlegen, die geeignet sind, ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; und (d) die Einführung von Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten innerhalb der Gruppe. Der Gerichtshof erinnert daran, dass diese Taten in den Anwendungsbereich von Artikel II der Konvention fallen, wenn sie mit der Absicht begangen werden, eine Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören (siehe Absatz 44 oben). Das Gericht ist ferner der Ansicht, dass Israel mit sofortiger Wirkung sicherstellen muss, dass seine Streitkräfte keine der oben beschriebenen Handlungen begehen.
79. Der Gerichtshof ist außerdem der Ansicht, dass Israel alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen ergreifen muss, um die direkte und öffentliche Anstiftung zum Völkermord an Mitgliedern der palästinensischen Gruppe im Gazastreifen zu verhindern und zu bestrafen.”1
(Internationaler Gerichtshof – Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs zur Anwendung der Völkermordkonvention und der Ergreifung vorläufiger Maßnahmen im Verfahren Südafrika vs. Israel, 26.1.2024, Übers. Maskenfall)