“In der letzten Woche wurde bekannt, dass die amerikanische Philosophin Nancy Fraser ihre im Rahmen der Albertus-Magnus-Gastprofessur vorbereiteten Vorlesungen und Seminare an der Universität zu Köln nicht halten darf. Es geht also um die Aberkennung einer akademischen Ehrung, zugleich um einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Denn die Rücknahme der Ehrung wurde mit ihrer Unterschrift unter den umstrittenen Brief „Philosophers for Palestine“ im November 2023 begründet, der in der Tat einen „Genozid“ an den palästinensischen Arabern beklagt und einen Boykott staatlicher israelischer akademischer und kultureller Institutionen fordert (allerdings explizit kein Ende des Dialogs mit israelischen Kulturschaffenden und Intellektuellen). Der Rektor der Kölner Universität befand sich, als diese Ausladung bekannt wurde, in Israel.[…]
Die nun ausgesprochene Ausladung und das faktische Auftrittsverbot widersprechen der Wissenschaftsfreiheit, die vom Grundsatz wissenschaftlicher Autonomie ausgehen. Es geht nicht einfach um den Eingriff in das Gut der Meinungsfreiheit – denn tatsächlich kann jede Institution bestimmen, ob sie es opportun findet, dass diese oder jene Meinung bei ihr auch propagiert wird. Es geht hier um das Verbot einer wissenschaftlichen Betätigung, um das Verbot, Argumente auszutauschen, die der Wahrheitsfindung dienen. Dass dieses Verbot eine Autorin jüdischer Herkunft trifft, verleiht dem Vorgang eine besondere Note. […]
Sie verkennen, dass Wissenschaftsfreiheit genauso wie die Kunstfreiheit als verfassungsrechtliche Grundfreiheiten Abwehrrechte gegen den Staat beinhalten und gerade diejenigen schützen, die gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen. Es sind körperschaftliche Privilegien, für die lange gekämpft wurde. Wer meint, dass die Inhaber von Freiheitsrechten gelegentlich vor der Inanspruchnahme ihrer Freiheit bewahrt werden müssen, sollte sich überlegen, ob und wie lange ein Gemeinwesen diesen abschüssigen Pfad entlangschlittern kann, ohne sich dabei die Knochen zu brechen.”
(Ulrich van Loyen, Medientheoretiker – Der Fall Nancy Fraser: Ist das noch Carl Schmitt oder schon betreutes Denken?, der Freitag, 12.4.2024)