“So steht Deutschland selbst im Zentrum völkerrechtlicher Prüfung. Im Verfahren Nicaragua gegen Deutschland vor dem IGH wird untersucht, ob deutsche Waffenlieferungen eine Beihilfe zu Völkerrechtsverstößen in Gaza darstellen. Dieses Verfahren macht deutlich, dass deutsche Außenpolitik nicht frei ist, sondern rechtlich überprüfbar bleibt. Es geht jedoch längst nicht mehr um die Staatenverantwortlichkeit, sondern auch um die individuelle strafrechtliche Verantwortung politischer Entscheidungsträger:innen. Vor diesem Hintergrund erhält auch die deutsche Debatte neue Schärfe. Während die Bundesanwaltschaft bislang von sich aus nur gegen Mitglieder der Hamas ermittelt, richten sich inzwischen auch die juristischen Blicke auf die Verantwortlichen innerhalb der Bundesregierung selbst. So haben Berliner Rechtsantwält:innen Strafanzeige gegen Mitglieder des Bundessicherheitsrats erstattet. Darunter Vertreter der Regierung unter Bundeskanzler Scholz, wie Bundeskanzler Merz. Diese zunehmende rechtliche Verantwortlichmachung von Staaten und Einzelpersonen führt uns schließlich zu einer dritten Ebene, nämlich zur Verantwortung der Völkerrechtswissenschaft selbst. Denn, während weltweit viele gesellschaftliche Akteure das Völkerrecht neu beleben, bleibt ein großer Teil der deutschen Völkerrechtswissenschaft erstaunlich still. Vieles spielt sich im Hintergrund ab, in Zurückhaltung, Anpassung oder bewusster Selbstzensur. Statt kritischer Analyse sehen wir häufig eine ideologische Konformität mit staatlichen Positionen, die durch institutionelle Zwänge und politische Einflussnahme verstärkt wird. In jüngster Zeit erleben wir auch, wie akademische Freiheit zunehmend unter Druck gerät, durch Einladungsabsagen, das Streichen von Fördergeldern und teilweise durch offene Einschüchterungsversuche, etwa durch Dachverbände wie den Zentralrat der Juden oder die jüdische Studierendenunion, die Kritik an israelischer Regierungspolitik mit Antisemitismus gleichsetzen und damit völkerrechtswissenschaftliche Diskurse deligitimieren. Vor diesem Hintergurnd wollen wir heute über Wege nach vorn sprechen, über eine völkerrechtskonforme Neuausrichtung deutscher Außenpolitik und über Möglichkeiten der Ahndung von Völkerrechtsverbrechen.”1
(Khaled El Mahmoud, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht Universität Potsdam, Autor Völkerrechtsblog – Gaza Tribunal – Deutsche Verantwortung im Lichte des Völkerrechts am 25.10.2025, YouTube-Kanal von Deutsche JuristInnen für das Völkerrecht, 25.10.2025)
